Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0444
Der Fürst und „seine" Hexe

die angeblichen Zeugen: die Sara, ein abgesagter Feindt der Weißgerberin, der wegen
unterschiedlicher Delikte kein [...] Geistlicher dieser Statt [...] die hl. Sacramenta
mer administiren will; schließlich Wachtmeister Bartie Andreas, den man, nachdem
er von seiner Kompanie ausgerissen war, noch zu Lindau aufhencken wollen und der
jetzt in Hechingen der Füllerey und unerhörtefr] Gotslesterey bekannt sei. Dass Eitel
Friedrich diesen Personen nach den ersten eingekommenen Verdächtigungen ansehnliches
Gelt [...] angehenckt und gegeben habe, damit sie nach dem angeblichen
Maleficium desto eiffriger forschen und graben, habe höchstens dazu geführt, dass sie
alle E.F.G. höchststräflich betriegen. Daher komme er, Melchior Zündelin, zu dem
Schluss, dass dieser Prozess letztlich null und nichtig sei: Ergo processus iste ex omni
parte vitiosus est et nullus. Wenn dieser Prozess und all das, was im Vorfeld abgelaufen
sei, am kay. Hoff erschallef] - wo doch der Ehemann der Weißgerberin sicherlich
mit ainer Supplication daselbsten schon einkommen sein sollte - dann könne der gnädige
Fürst und Herr selbst ermessen, was Unhails und unauslöschliche Schmach dem-
selbigen und diesem uralten [... ] Haus Zollern hirvon zuwaxen möchte. Deshalb
empfehle er, Zündelin, vorderist die Weißgerberin sambt ihrem Vatter der harten
Gefangenschaft zu entlassen, den Vater ins Gelübt zu nehmen und seine Tochter nur
noch in bürgerlichem Arrest zu halten, bis ihr zusambt ihrem Advocaten ain ordenlicher
Gerichtstag vor der Canzley anberaumt werde. Da sich Eitel Friedrich zur Zeit
laider in großer Melancholia, und sich selbsten maleficiert befindef], welches der
Allmächtige [...] ehisten wiederumben wenden wolle, bitte er ihn, seinen in dieser
Situation gehegten misstrauischen Gedanken nit zuvil zuvertrauen, sondern vielmehr
seine, des Untervogts Bedenken gegenüber dem bisherigen Procedere zu teilen: Denn
unschuldige Leute würden mit harter Gefangenschaft und Tortur [...] gequält, eine
Ehe zertrendt und deren Haushaltung dissipirt [vergeudet], was zum höchsten künftigen
Nachteil der armen unschuldigen Kinderlin führe und ihnen zum genzlichefnj
Verderben gereicht. Obwohl in der Stadt die Redlichkeit der Gefangenen bekannt sei,
würde diese ignominia [Schmach, Schande] ihnen und ihren Kindern ir Leben lang
verpleiben. Auch befinde sich die Leibsfrucht der Weißgerberin wegen ausge-
standender Schrecknus bei der Gefangenschft als dann auch der Tortur in höchster
Gefahr, und sollten diese Leuth, wie gar nit zu zweifflen, [...] unschuldig erfunden
werden, dann müsse Eitel Friedrichs Gewissen wegen vorgangner Tortur und dahero
periclitirender Leibesfrucht auf das höchste beschwert sein317.

Doch offensichtlich stieß der Untervogt mit seinen eindringlich vorgetragenen
stichhaltigen Argumenten und warnenden Worten - die sich später in erstaunlichem
Maße bewahrheiten sollten - bei Eitel Friedrich auf wenig Gegenliebe. Sowohl der
Schuster Balthas Grün als auch dessen Tochter blieben weiterhin in Haft, ohne

317 Gemäß Carolina war die Folterung eines Inquisiten zur Erlangung eines Geständnisses
lediglich dann erlaubt, „wenn eine sog. redliche anzeygung gegen die PersonfJ vorlag", also die
„Aussagen mindestens zweier oder dreier glaubwürdiger Zeugen" (Oestmann, wie Anm. 35,
S. 189f.). Diese Redlichkeit und Glaubwürdigkeit lag aber weder bei Wachmeister Bartie Andreas
noch im Fall der Sara vor, bei der es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Sara Baiinger,
Ehefrau des Schlossers Michel Mock, gehandelt haben dürfte, die im Jahr 1669 selbst unter den
Verdacht der Hexerei geraten sollte (vgl. Kraus, wie Anm. 6, Fall Nr. 97).

429


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0444