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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0446
Der Fürst und „seine" Hexe

Hic autem, ut puto licite, omnis non tarn agitur, de statuendo exemplo, et
vindicando crimina quam de remedio maleficiati. - In diesem Fall, geht es, wie ich
zurecht glaube, überhaupt nicht so sehr um die Statuierung eines Exempels und die
Bestrafung von Verbrechen, sondern es geht um die Heilung des Verzauberten.

In einer solchen Deutlichkeit hat Eitel Friedrich weder zuvor noch danach den
spezifischen Charakter dieses Hexenprozesses beschrieben. Betrachtet man tiefenpsychologisch
gesehen den Hexenwahn als Ausdruck der Projektion eigener Ängste
und Aggressionen, verdrängter Wünsche, Schuld- oder Bedrohungsgefühle auf eine
andere Person, dann könnte die Vernichtung dieser Person, des Sündenbockes,
zumindest kurzfristig vom Hexenverfolger als ein Akt innerer Befreiung und moralischer
Entlastung empfunden werden. Dies gilt insbesondere für das Krankheitsbild
der Schwermut, galten doch, wie Bumiller es formuliert, „psychische Ausnahmesituationen
, Melancholie und Depressionen [als] Einfallstore des 'bösen Feindes' für
sein unheilvolles Wirken in den Menschen"319. Aus der Sicht Eitel Friedrichs
erscheint die Weißgerberin nun aber nicht einfach nur als Medium des Bösen - was
ihre Vernichtung längst zwingend erforderlich gemacht hätte. Die psychosomatischen
Wirkungszusammenhänge seiner Krankheit, die er subjektiv nur aus seinem
Hexenglauben heraus zu deuten vermag, ordnet er in pathologischer Ubersteigerung
ihrem Machtpotential zu und rückt damit die Weißgerberin gleichzeitig in die Position
einer potentiellen Heilerin der von ihr selbst verursachten Vexationen. Da also
die mögliche Heilung des Verzauberten durch die Malefikantin einer Bestrafung eben
dieser Malefikantin im Wege steht, steckt Eitel Friedrich in eine Zwickmühle, in die
er sich selbst hineinmanövriert hat und aus der es so lange kein Entrinnen gibt, solange
der implizierte Zusammenhang zwischen zauberischen Machenschaften und
schwankendem Gesundheitszustand nicht restlos aufgeklärt ist. Erst wenn er der
Malefikantin das Geheimnis ihrer Wirkmächtigkeit im Bösen wie im Guten entrissen
hat, so glaubt der Fürst, gewinnt er wieder die Macht zurück, über ihr Schicksal zu
entscheiden. Bis dahin bleibt es jedoch bei einer eigentümlichen Pattsituation:
Die Weißgerberin schmachtet eingekerkert hinter den dicken Mauern der Festung
Hohenzollern - ihr Gegenspieler sitzt in der Falle seiner von ihm selbst festgezurrten
Hexendoktrin.

Die logische Konsequenz aus dieser Pattsituation ist für Eitel Friedrich nicht, wie
sein Untervogt angemahnt hatte, ein ordentlicher Prozess, sondern die Dilation des
Prozesses. Wie die weiteren Aufzeichnungen des Fürsten zeigen, kreisen seine
Gedanken nach dem einmal gefällten Entschluss nur noch um die Frage, wie er sich
selbst während dieses Prozessaufschubes verhalten soll. Zuerst erwägt er, so bald wie
möglich eine Pilgerreise nach Einsiedeln zu machen, weilen Einsideln ein sonderer
Gnadenohrtt und daher eine größerer Wirksamkeit (debeat esse maior efficacia) zu
erwarten sei, als bei seinen jüngsten Pilgerfahrten ins nahe gelegene Weggental. Denn
in besagtem Kloster befinde sich ein Pater, der in der gleichen zueständig sei und ihm
mit den üblichen Heilmitteln (remidia ordinarid) und gutem Rat zur Seite stehen
könne. Würden allerdings - so habe es sich nach dem vorangegangenen Effekt {ab

319 Bumiller (wie Anm. 2): Die Grafschaften, S. 268.

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