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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0451
Dietrich Bulach

Auch mit dieser Einschätzung, so selbstsicher sie auch vorgebracht wurde, sollte
sich Eitel Friedrich irren. Sein juristischer Spielraum, sich gegen die erhobenen
Vorwürfe zu wehren, war kleiner, als er wahrhaben wollte. Dies zeigt auch seine
Klage, dass sein Ahnsuchen, über die Rechtmäßigkeit der Tortur in diesem Fall zu
comunicieren, vom Reichskammergericht abgeschlagen worden sei. Ein Mandats-
prozess, so Oestmann, hatte den „vorläufigen Rechtsschutz des Klägers" zum Ziel.
„In Fällen, in denen dem Antragsteller nicht wieder gutzumachende Schäden drohten
oder das beantragte Verhalten keinen Verzug gestattete, ferner, wenn die zu
verbietende Handlung für strafwürdig oder unrechtmessig zu halten war oder wider
den gemeynen nutz were, ergingen solche Mandate ohne vorherige Anhörung des
Gegners" und unter Androhung einer Geldstrafe bei Nichtbeachtung der Anordnung333
. Da das Reichskammergericht, wie „die konkreten Weisungen in den
Mandatsprozessen [belegen]", sich „vor Erlaß eines Mandats mit der klägerischen
Fallschilderung intensiv befasst hat" und „neben den Zulässigkeitsvoraussetzungen
zumindest summarisch ebenfalls die Begründetheit geprüft hatte", konnte ihr juristisches
Gewicht nicht hoch genug eingeschätzt werden334. Auch wenn wir den genauen
Wortlaut des Mandats nicht kennen und „[ajuthentische Äußerungen des RKG
zur Frage der Schwangerschaft der Inquisitinnen [...] nicht vorliegen]", kann man
mit Oestmann davon ausgehen, dass „die Reichsrichter im Einklang mit der herrschenden
Meinung die peinliche Befragung in diesen Fällen ablehnten335". Das ergangene
Mandat zur sofortigen Freilassung sollte die Ehefrau des Klägers wenigstens
vor weiteren Torturen schützen.

Auch die anderen Indizien, mit denen Eitel Friedrich sein Vorgehen gegen die
Weißgerberin zu rechtfertigen und die Darstellung des Klägers Harting zu erschüttern
suchte, konnten die Richter des RKG wohl nicht überzeugen. Denn Anna Maria
Grün hatte den ihr vorgeworfenen Umgang mit zauberischen Dingen weder freiwillig
gestanden, noch lag ein Zeugenbeweis vor, der auf den „Aussagen mindestens
zweier oder dreier glaubwürdiger Zeugen" beruhen musste336. Eitel Friedrichs einzige
brauchbare „Zeugenaussage", die der ehrlichen Persohn Pater Joseph, konnte objektiv
betrachtet wohl nicht zu seinen Gunsten ausgelegt werden. Auch in der Flucht der
Weißgerberin (und ihres Mannes) würde das RKG - im Gegensatz zur Auffassung
des Fürsten - kein Indiz sehen, „das zur peinlichen Befragung berechtigen konnte.
Geschah die Flucht nach dem untergerichtlichen Prozeßbeginn", so Oestmann, „so
wurde zugunsten des Flüchtigen vermutet, daß er nicht aus schlechtem Gewissen,
sondern aus Angst vor Misshandlungen entwichen sei. Aber auch bei einer Fluch vor
Prozeßbeginn konnte der Verfolgte einen Rechtfertigungsgrund für sich in Anspruch
nehmen, wenn er begründete Angst vor Nichtigkeiten im Strafverfahren haben
konnte337." Diese „verfolgungsfreundliche Sichtweise" des RKG war insofern „juri-

333 Oestmann (wie Anm. 35) S.73 und S. 330.

334 Ebd., S.76 -77.

335 Ebd., S. 255: „In der Tat war die Folterung schwangerer Frauen nach gemeinrechtlichen
Grundsätzen strengstens verboten" (ebd. S. 256).

336 Vgl. Ebd., S. 189ff.

337 Ebd., S. 318.

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