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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0452
Der Fürst und „seine" Hexe

stisch leicht [...] zu begründen", als die „Carolina [...] sich in dieser Frage nicht festgelegt
[hatte]"338. Ein weiteres notwendiges Indiz, „die allgemeine Berüchtigung
als Hexe, die mala fama", stand im Falle der Weißgerberin ebenfalls auf äußerst
tönernen Füßen. Eitel Friedrich behauptete zwar, Anna Maria Grün sei durch starkhe
Ahnzeigung über die Maßen suspect, und sonsten nit ohne Suspicion gewesen. In
Anbetracht des vernichtenden Urteils, das der fürstliche Rat und Untervogt Zündelin
über die Glaubwürdigkeit der „Zeugen" gefällt hatte, während er für den Leumund
der Beklagten nur lobende Worte fand, dürfte die Einschätzung des Fürsten von den
Richtern in Speyer als Aussage ohne Wert betrachtet worden sein339. Da das „RKG
[...] ferner ausdrücklich darauf hin[wies], daß auch in Hexensachen sämtliche
Indizien vom Gericht auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht werden mussten, bevor
mit der Tortur begonnen werden durfte"340 und es offensichtlich „ständige Rechtsprechung
des RKG [war], daß bei Verstößen der Untergerichte gegen die Indizienlehre
Mandate sine clausula" ergingen, kommt die Entscheidung des Reichskammergerichts
, im Falle der seit fünf Monaten auf der Burg Hohenzollern inhaftierten
Hechinger Weißgerberin Anna Maria Grün und ihres Vaters ein Mandatum de
relaxanda captiva sine clausula, d. h. eine Anordnung zur sofortigen Freilassung zu
erlassen, nicht überraschend.

Last, not least, sei auch noch auf einen weiteren fundamentalen Rechtsverstoß des
Fürsten hingewiesen, der in Andreas Hartings Supplikation nicht von ungefähr an
erster Stelle genannt worden war: Eine „ungeschriebene Verfahrensmaxime von allergrößter
Bedeutung" war nach Oestmann die „Verteidigung des Inquisiten im gemeinrechtlichen
Strafprozeß [...]. Eine Grundvoraussetzung dafür, daß ein Inquisit sich
gegen die erhobenen Vorwürfe zur Wehr setzen konnte, bestand darin, daß diesem
überhaupt die gegen ihn vorliegenden Verdachtsmomente mitgeteilt wurden." Und
dies war weder bei Andreas Hartings Verhaftung noch bei der ersten Gefangennahme
seiner Frau der Fall gewesen. Auch wenn die „Pflicht zur Mitteilung der Indizien
[...] in Art. 47 CCC nicht ausdrücklich normiert" wurde, so war ,,[i]n sämtlichen
RKG-Prozessen, in denen dieser Streitpunkt auftaucht, [...] die gewohnheitsrechtliche
Geltung dieser Maxime für die Kläger aber unstreitig", und das RKG vertrat die
„Ansicht, daß der gesamte Strafprozeß nichtig sei, wenn dem Inquisiten die gegen ihn
vorliegenden Indizien nicht bekanntgegeben worden waren"341.

Es war sicherlich die Fülle dieser Rechtsverstöße, die das Reichskammergericht in
Speyer veranlasst hatte, nicht nur e i n Mandat, sondern gleich mehrere Mandate
zu erlassen. Eitel Friedrich selbst erwähnt jedenfalls in einer späteren Rechtfertigungsschrift
gegenüber Kaiser Ferdinand III., dass gegen ihn underschidliche
mandata vom Kays. Cammergericht ergangen seien342. Man muss davon ausgehen,

338 Ebd., S. 203f.

339 Lt. ebd., S. 198, war „für die Speyerer Assessoren ein übler Leumund erst dann nachgewiesen
[...], wenn die Inquisitin bereits vor der aktuellen Denunziation oder Verdächtigung für
unehrbar gehalten worden war."

340 Vgl. ebd., S. 195-196.

341 Ebd., S. 229-233.

342 Wie Anm. 55.

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