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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0461
Dietrich Bulach

Somit war nun endlich auch der Tag der Befreiung für die unschuldig Inhaftierten
gekommen. Als sich die Subdelegierten zwischen dem 2. und 8. Mai auf das veste
Haus Zollern begaben378, fanden sie dasselbig an eüssern Werckh und andern Gebeu-
en sehr ruinös und abgängig, auch an Munition und Proviant sehr bloß und mangelhaft
. Eine ihrer ersten Tätigkeiten bestand darin, neben anderen Verrichtungen cum
cognitione causae die Gefangene zu entlassen und auf freyen Fues zu stellen. Für die
Weißgerberin öffneten sich nun endlich nach 6 oder 37 wochen in Eyßen und Banden
die Kerkertüren. Auch ihr Vater wird aus dem Stadtgefängnis entlassen. Die Freude
der nach der langen Zeit grausamer Leiden und quälender Einsamkeit wieder glücklich
vereinten Familien ist leider in keinem Protokoll festgehalten.

Mit der Freilassung der Inhaftierten aufgrund der vom Reichskammergericht erlassenen
Mandate war allerdings der eigentliche Mandatsprozess noch nicht beendet.
Mandate hatten ja nur die Funktion, dem Opfer einer Hexenverfolgung „vorläufigen
Rechtsschutz" zu gewähren. Auch wenn solche Mandate vom RKG später „fast nie
aufgehoben [wurden], so daß der ursprünglich vorläufige Rechtsschutz de facto
den Charakter eines Endurteils annehmen konnte", so war die verhandelte Sache
inhaltlich und juristisch erst mit dem Abschluss eines Mandatsprozesses endgültig
entschieden380. „In Mandatsprozessen", so Oestmann, erging ein Urteil im Schnitt
nach 3,0 Jahren". Auch wenn „82,6% der Mandatsprozesse [...] zugunsten der
Hexenprozessopfer [endeten]381" - die kaiserliche Kommission wollte jetzt Tatsachen
schaffen. Die Kommissionsmitglieder leisteten deshalb ganze Arbeit. Angesichts der
gegen den Fürsten ergangenen Mandate (und seines unkooperativen Verhaltens)
wurde der speyerische Prozess solcher gestalt auf gehöbt, und hieran verhandlet, was
die liebe Justiz und christenliche Commiseration [Mitleid, Erbarmen] erfordert579.
Mit der Freilassung der Weißgerberin und ihres Vaters hatten sich die Subdelegierten
ja als legitime Vollstrecker der vom RKG ergangenen mandata de relaxanda captiva
sine clausula fühlen können. Dass sie aber als Delegierte des höchstgerichtlichen
Reichshofrates auch noch den Mandatsprozess des ebenfalls höchstgerichtlichen
Reichskammergerichts kassierten, dürfte ein gewagter, für einen Hexenprozeß vielleicht
sogar einmaliger juristischer Vorgang gewesen sein.

In einem Rechtfertigungsschreiben legte Eitel Friedrich dementsprechend auch
den Finger in diese offene Wunde. Er gehe davon aus, dass die Sache noch immer in
Speyer rechthängig sei: So ist der Subdelegierten gebrauchte Vermessenheit auch dar-
ab noch mehrers zuverspühren, daß sie der ordenlichen Instantz und zugleich der
Kaiserlichen Cammer ein Eingriff gethan, und solchen Process, welchen Ich vijuris-
dictionis et justitia [kraft Gerichtsbarkeit und Gerechtigkeit] recht vorgenommen zu
haben vermeint, zu cassieren ihnen gefallen lassen und also in allem und iedem ein
Werckh bezeuget, wie temerarie, nullo respecta juris vel ordinis [verletzend, ohne
Respekt gegen Recht und Ordnung] sie wider mich verfahren1*1.

378 Der genaue Tag der Befreiung ist nicht überliefert.

380 Oestmann (wie Anm. 35), S. 86f.

381 Ebd., S. 329.

379 Wie Anm. 349.

382 Wie Anm. 55.

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