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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0471
Dietrich Bulach

Die Beamten auf der Kanzlei schenken diesen Aussagen der Sechzehnjährigen
allerdings nur wenig Glauben und vermuten eine Absprache zwischen den beiden
Personen. Deshalb wird die Weißgerberin auf die Kanzlei gefordert, wo sie uff
hartteres Zusprechen zwar zugibt, die Briefe im Auftrag des Mädchens geschrieben
zu haben. Dass der Adressat jedoch ein Geistlicher gewesen sei, sei ihr nicht bewusst
gewesen. Nachdem sie davon erfahren habe, hete sie ihro kheine Brieff mehr ge-
schrihen. Nach der Vernehmung des Malers Frieß, der des Öfteren als Bote benutzt
worden war, wird einige Tage später erneut die Tochter des Engelländers auf das Amt
beschieden und in der Güetigkheit befraget. Nachdem man sie mit den Aussagen des
Malers konfrontiert, bekennt sie, dass die Weißgerberin diese 4 Schreiben wissentlich
ahn jenige gaistliche Person, so sie zuvor nit können wollen, geschriben und gerichet
hete, dz sie aber solches zuvor nit bekhennen wollen, wehre aus Erbärmbdt gegen die
Weißgärberin beschehen. Ohne dass Anna Maria Grün noch einmal verhört wird,
ergeht umgehend das Urteil: Da es sich bei dem Delikt um hochverbotenes Lenoci-
nium oder Kupplerei handle und zwar zwischen zwayen Persohnen, welchen von
Rechts wegen miteinanderen verehelicht zu werden inhibiert sei, wird Anna Maria
Grün aus der gefürsteten Grafschaft Hohenzollern ausgewiesen, ihr zu wolverdien-
ter Straff auch anderen zue einem Exempel. Ihr Ehemann Andreas Harting hingegen
muss schwören, dass er sich wegen der gegen seine Frau ergangenen Strafe weder an
gned. Herrschaft noch dero nachgesetzten Rathen und Oberamptleuten weder mit
der That noch mit Worten rächen werde. Die 16-jährige Anna Elisabeth Stettmond
wird am 25. Juni, die Weißgerberin Anna Maria Grün am 28. Juni bis zum Beweis
eines besseren Verhaltens ausgeschafft.

Die drakonischen Strafen des Fürsten410 und die auffallende Nichteinmischung der
kaiserlichen Administration lassen den Schluss zu, dass Eitel Friedrich hier gestattet
wurde, eine persönliche Rechnung zu begleichen. Mit der Ausweisung aus der Grafschaft
entfernte Eitel Friedrich nämlich jene Person aus seiner Umgebung, die für ihn
nicht nur zur Personifikation dämonischer Macht, sondern auch zum Sinnbild seines
politischen Scheiterns geworden war. Gleichzeitig musste die Weißgerberin mit dem
Leben in der Fremde jenes Schicksal erleiden, das Eitel Friedrich, wenn auch unter
anderen Vorzeichen, besonders in seinen letzten Lebensjahren zuteil wurde. Vielleicht
ist diese übermäßig harte Entscheidung des Fürsten unbewusst auch das Produkt
einer weiteren Projektion: der Erinnerung an die Geschehnisse um seine Tante
Maximiiiana, die sich ebenfalls mit einem Ordensgeistlichen aus St. Luzen eingelassen
hatte und wegen ihrer unglücklichen Liebe zum Pater Guardian in große
Melancholie verfallen war, was letztlich aus Sicht des Fürsten der Kindsfrau Anna
Kadis zuzuschreiben war, die ihren Liebeszauber deshalb mit dem Tod büßen musste.

Mit der Ausweisung der Weißgerberin hatte sich Eitel Friedrich nun zwar seiner
Intimfeindin entledigt, seine politischen Gegner von der kaiserlichen Administration
saßen jedoch nach wie vor in Hechingen an den Schalthebeln der Macht. Im Spät-

410 Die Fürstl. Hohenzollerische Landesordnung von 1698 (s. StAS 13 J 44) sieht unter Tit. V
für Kuppelei lediglich eine Geldstrafe von 10 Pfund Heller (das entspricht knapp 7 Gulden)
vor.

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