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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0475
Dietrich Bulach

14 DIE HECHINGER WEISSGERBERIN UND IHRE TÖCHTER

„Gegen das Verhalten einzelner Beamter erwiesen sich die kaiserlichen Befehle als
ebenso machtlos wie gegen das Rechtsverständnis der Untertanen, für die es offensichtlich
keinen Unterschied machte, ob ihnen die gewohnte Herrschaft oder der
Kaiser in Gestalt einer Administrationsregierung als Landesherr gegenübertrat und
ihre Privilegien und im Herkommen begründeten Rechte antastete426." Diese Feststellung
Ortliebs ist sicherlich richtig; und doch bedarf sie einer Ergänzung. Für die
Untertanen als potentielle Opfer herrschaftlicher Hexenverfolgung spielte es eine
durchaus beträchtliche Rolle, ob anstelle des seit drei Jahrzehnten regierenden und
als Hexenjäger gefürchteten Fürsten Eitel Friedrich nun eine vom Kaiser delegierte
Kommission in Hechingen das Sagen hatte oder nicht. Während des Interregnums der
Subdelegationskommission von Mai 1655 bis August 1661 fand in der Grafschaft
Hohenzollern-Hechingen tatsächlich kein einziger Hexenprozess statt. Das lag mit
Sicherheit an der faktischen Entmachtung und weitgehenden Abwesenheit des
Fürsten Eitel Friedrich, allerdings aber auch an den abschreckenden Nachwirkungen
der reichskammergerichtlichen Mandatsverfügung im Falle Anna Maria Grün.

Wie Oestmann in seiner ausführlichen Untersuchung zeigt, verbreitete sich nämlich
die Kunde von einem Prozess des Reichskammergerichts gegen einen Landesherrn
in Windeseile selbst über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Als eindrückliches
Beispiel erwähnt er einen Fall aus der unmittelbaren Nachbarschaft Hohenzollern-
Hechingens im Jahr 1663. Auf Anfrage der Reichsstadt Esslingen anlässlich eines
Hexenprozesses war von der Tübinger Fakultät ein fünfzigseitiges Gutachten erstellt
worden, in dem die Juristen sich besorgt zeigten, dass solche Prozesse des RKG ein
„weitaußsehendes Weeßen", also einen hohen Bekanntheitsgrad erlangen würden"
und dass das Reichskammergericht Hexenprozesse selbst gegen „die allgemeine
Meinung [...] für rechtswidrig" erkläre. Diese Erkenntnis hatten sie aus einem
Prozess des Reutlinger Apothekers Heinfrich Efferen gewonnen, der „wegen der Verfolgung
seiner Frau als Hexe" an das Reichskammergericht appelliert hatte. „Dieses
Beispiel", so Oestmann weiter, „erhellt, welche Publikumswirkung die Tatsache
gehabt haben muß, daß ein Untertan es gewagt hatte, seine Obrigkeit wegen rechtswidriger
Hexenprozesse in Speyer zu verklagen427." Angesichts des Aufsehens, das
der Prozess des Reichskammergerichts gegen Fürst Eitel Friedrich II. bis in die
höchsten Kreise des Reiches hinein erregt hatte, könnte man daher die folgende These
Oestmanns durchaus auch auf Hohenzollern-Hechingen übertragen: „Mehrfach", so
schreibt er, „läßt sich zeigen, daß unmittelbar nach oder zeitgleich zu einem RKG-
Prozeß eine Verfolgungswelle erlosch oder spürbar nachließ428."

Die Publizität von RKG-Prozessen dürfte auch den Nachfolger Eitel Friedrichs,
Fürst Philipp Christoph Friedrich, zu einer größeren Vorsicht im Umgang mit der
Hexerei verdächtigen Personen gemahnt haben, wobei er allerdings schon während

426 Ebd., S. 251.

427 Oestmann (wie Anm. 35), S. 358f.

428 Ebd., S. 514.

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