Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0481
Dietrich Bulach

15 RESÜMEE

Was bleibt von diesen beiden Hexenprozessen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts? Es
bleibt die ungewöhnliche Geschichte einer einfachen Hechinger Handwerkerfrau, die
wie viele vor ihr unschuldig in den Verdacht der Hexerei gerät, aber mit unbeugsamem
Willen Folter, Haft, Ausweisung sowie die Anklage ihrer minderjährigen
Kinder durchsteht und die dennoch, wie die meisten anderen Verfolgungsopfer vor
ihr, auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden wäre, hätte nicht das glückliche
Zusammenspiel verschiedener Faktoren ihr eine Uberlebenschance eröffnet. Zu
diesen Faktoren zählt zunächst der besondere familiäre Zusammenhalt, der ja längst
nicht bei allen Hexenopfern gegeben war: Da ist zunächst ihr Vater - ein armer
Schuhmachermeister, aber auch ein konfessioneller Querdenker - der sich ohne
Rücksicht auf die persönlichen Folgen für seine Angehörigen einsetzt und verbürgt,
um ihnen die Flucht vor dem Zugriff der Inquisition zu ermöglichen. Da ist ihr Ehemann
zu nennen, der mutig und entschlossen handelt und dabei das Glück hat, auf
seiner Flucht und Suche nach Hilfe auf einen Rottenburger Amtmann zu treffen, der
ihm wertvolle juristische Hilfestellung gibt. Nicht hoch genug ist die Rolle des
Reichskammergerichts einzuschätzen, das aus seiner kritischen Position den Hexenprozessen
gegenüber in diesem Fall (wie auch in vielen anderen Hexenprozessen) die
obrigkeitliche Willkür in die Schranken weist und damit auf beeindruckende Weise
den verfolgten Opfern zur Seite steht452. Um letztlich erfolgreich zu sein, ist das
Gericht in Speyer allerdings auf die tatkräftige Beihilfe einer vom Reichshofrat
bestellten kaiserlichen Kommission angewiesen, die eigentlich aus übergeordneten
politischen Motiven mit diesem Prozess in Kontakt kommt, dann aber konsequent
und entschieden eingreift und für die Freilassung der unschuldig eingekerkerten Frau
und ihres Vaters sorgt. Und nicht zuletzt ist auch der Hexenverfolger selbst zu
nennen, Fürst Eitel Friedrich II. von Hohenzollern-Hechingen, dessen ausgeprägte
Disposition für Hexen- und Teufelsglauben sich über die zeittypische Ausprägung
hinaus zu einem Krankheitsbild verfestigt, das sich in pathologischer Übersteigerung
schließlich gegen ihn, den Hexenverfolger selbst, wendet. So wird der Fürst von
Hohenzollern-Hechingen zum Opfer seines eigenen Hexenwahns, was seinem
Hexenopfer ungewollt das Leben rettet.

452 Oestmann (wie Anm. 35), S. 323: „Die restriktive Auslegung der Carolina, die strenge
Handhabung der Indizienlehre, Skepsis gegenüber Besagungen, die Einforderung fairer Verteidigungsmöglichkeiten
und humaner Haftbedingungen weisen den Speyerer Gerichtshof als
eindeutigen Gegner der Hexenprozesse aus." Oestmanns statistische Auswertung von insgesamt
„255 RKG-Prozesse[n] mit Bezügen zum Hexereidelikt" ergibt folgendes Bild: Von den
„131 [...] ermittelten Fälle[n]", in denen es „um Klagen von Verfolgungsopfern und deren
Angehörigen gegen die Hexenverfolger" ging, wurde „[f]ast die Hälfte der [...] RGK-Prozesse
[...] als Mandatsprozess abgewickelt. [...] In nur vier Fällen fielen [die] Urteile zugunsten der
Hexenverfolger aus. Die Chance eines Klägers, einen Mandatsprozeß gegen die Hexenverfolger
zu gewinnen, betrug damit über 82 %" (S. 598, 604 und 607).

466


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0481