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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0485
Paul Münch

zum König in Preußen im Jahre 1701 die nationale Rolle der Hohenzollern und die
Bedeutung Preußens immer wieder beschworen, doch Stammland und Stammschloß
des preußischen Kurfürsten-, Königs- und Kaisergeschlechts, die den Namen Hohenzollern
tragen, fanden keine spezielle Würdigung2, schon gar nicht der Zollerberg, in
dem man noch vor wenig mehr als hundert Jahren einen schlafenden Kaiser, der das
Reich zu neuer Größe führen würde, vermutete. Dieser Erinnerungsverlust erscheint als
natürliche Folge des politischen Endes der Hohenzollernmonarchie im Jahre 1918, doch
er ist wohl auch später Nachhall jener protestantischen und kleindeutschen Geschichtsschreibung
, die den Süden Deutschlands nicht immer gerecht behandelt hat.

Es gab eine Zeit, wo sich nationale Hoffnungen auch um den Hohenzoller rankten
, Berg und Burg für einige Jahrzehnte gar in den Mittelpunkt nationaler Träume
rückten. Die Burg war schon seit den ersten Plänen zu ihrem Wiederaufbau weit
mehr als eine im mittelalterlichen Stil wiedererrichtete Wohnanlage, wahrscheinlich
sogar mehr als ein nationaldynastisches Symbol, als das sie identifiziert wurde. Sie
präsentierte sich seit den ersten Plänen zum Wiederaufbau als ein herausgehobener
Ort im deutschen Süden, an den sich der während des 19. Jahrhunderts in neuer
Weise geträumte nationale Einigungsgedanke sichtbar ankristallisieren konnte. Ihr
Neubau in den Jahren 1850 bis 1867 begleitete eine entscheidende Phase der deutschen
Nationalgeschichte, den Weg zum zweiten Kaiserreich. So wie der Bau Jahr um
Jahr in die Höhe wuchs, um schließlich kurz vor der Reichsgründung vollendet zu
sein, so nahm die Einigung Deutschlands in den 50er und 60er Jahren nationale
Gestalt an. Die auf kahlem Felsen hochaufragende, in neugotischem Stil erbaute
Stammburg der Hohenzollern war ein weithin sichtbares Zeichen dafür, daß die
preußische Macht, die zuvor auf den Osten und Norden Deutschlands konzentriert
gewesen war, nun auch im Süden einen Ankerpunkt gefunden hatte, ja daß sie, wie
die preußenfreundliche Propaganda betonte, gewissermaßen an ihren Ausgangspunkt
zurückgekehrt war. Waren die Hohenzollern von ihrem Ursprung her nicht ein süddeutsches
, ein schwäbisches Geschlecht, woran der Neubau unmißverständlich erinnern
sollte? Der Wiederaufbau behauptete in historistischer Emphase die Anciennität
der Hohenzollerndynastie und rückte ihre süddeutschen Stammlande ins öffentliche
Bewußtsein. Schon während der Bauphase, doch noch stärker nach ihrer Vollendung,
erschien die Burg wie ein hoch aufragendes architektonisches Mahnmal künftiger
deutscher Einheit. Während der Kaiserzeit galt sie schließlich als weithin sichtbares
Symbol des neuen, von Preußen geführten deutschen Nationalsstaates, der manche
gar die Wacht am Rhein gegen den Erbfeind Frankreich zutrauten. Ansichtskarten
feierten sie propagandistisch als Zentrum des neuen deutschen Kaiserreiches, mit dessen
Ende freilich auch die nationale Symbolkraft verloren ging.

2 So auch Andreas Zekorn: Blick "vom Fels zum Meer": Die Fürstentümer Hohenzollern
und Preußen zur Zeit der Krönung Friedrichs III. zum König in Preußen vor 300 Jahren
(Vortrag am 29.9.2001 in Sigmaringen). Ich danke dem Autor für die Einsicht in das unveröffentlichte
Manuskript.

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