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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0489
Paul Münch

nicht bloß eine dynastische Erbangelegenheit war, sondern express mit der anzustrebenden
Einheit Deutschlands unter preußischer Führung zu tun haben könnte,
war damit in die Welt gesetzt.

Im Kontext der Vereinigung mit Preußen erklangen auch in Hechingen nationale
Töne und zwar von einer Seite, die man zunächst nicht vermuten möchte. Am
8. April 1850, dem Datum der öffentlichen Ubergabe des Landes an die Krone
Preußens, fand in der Stiftskirche ein feierlicher Gottesdienst statt, an dem die
Berliner Prominenz und die politische Honoratiorenschaft der Stadt teilnahm. In
einem parallelen Festgottesdienst in der Synagoge15 hielt der Hechinger Rabbiner und
Rechtsanwalt Dr. Samuel Mayer16 eine Ansprache, welche die künftige Rolle
Preußens für die Einigung Deutschlands nicht nur begrüßte, sondern in bemerkenswerter
Weise zu untermauern suchte. Diese politisch-theologische Festrede zur Feier
der Uebergabe der Fürstenthümer Hohenzollern an die Krone Preußen, deren
rascher Druck ihre besondere Bedeutung unterstrich17, trägt den rätselhaften Titel
Der Stein und das Bild oder Preußens Zukunft19. Der gelehrte Rabbiner aktualisierte
den bekannten Traum Nebukadnezzars, in dem man aufgrund der Auslegung
Daniels19 von alters her einen göttlich legitimierten Hinweis auf die geschichtliche
Abfolge der Weltreiche gesehen hatte. Der Prophet vermochte als einziger von den
Weisen und Wahrsagern den königlichen Traum zu deuten: Du, König, hattest eine
Vision: du sahst ein gewaltiges Standbild. Es war groß und von außergewöhnlichem
Glanz; es stand vor dir und war furchtbar anzusehen. An diesem Standbild war das
Haupt aus reinem Gold; Brust und Arme waren aus Silber, der Körper und die
Hüften aus Bronze. Die Beine waren aus Eisen, die Füße aber zum Teil aus Eisen,
zum Teil aus Ton. Du sahst, wie ohne Zutun von Menschenhand sich ein Stein von
einem Berg löste, gegen die eisernen und tönernen Füße des Standbildes schlug und
sie zermalmte. Da wurden Eisen und Ton, Bronze, Silber und Gold mit einemmal zu
Staub. Sie wurden wie Spreu auf dem Dreschplatz im Sommer. Der Wind trug sie
fort, und keine Spur war mehr von ihnen zu finden. Der Stein aber, der das Standbild
getroffen hatte, wurde zu einem großen Berg und erfüllte die ganze Erde10.

15 Verordnungs=und Anzeigeblatt für das Fürstentum Hohenzollern-Hechingen, Mittwoch
den 10. April 1850, S. 16.

16 Der Rechtsanwalt Dr. Samuel Mayer, der 1875 starb, war seit 1838 Rabbiner der israelitischen
Gemeinde. Er versah sein Amt im Sinne des Reformjudentums und hielt gute Kontakte
zu den christlichen Kirchengemeinden. Vgl. Otto Werner, Die jüdische Gemeinde in Hechingen
bis zum Jahr 1933. In: 1200 Jahre Hechingen. Beiträge zur Geschichte, Kunst und
Kultur der Stadt Hechingen. Hechingen 1987, S. 188; Joachim Hahn: Juden in Hohenzollern.
In: Fritz Kallenberg (Hrsg.), Hohenzollern (wie Anm. 4), S. 416 f.

17 Die Schrift wurde im Verordnungs=und Anzeigeblatt für das Fürstenthum Hohen-
zollern=Hechingen bereits am 10. April 1850 vom Verleger Georg Egersdorff annonciert
(S. 115), übrigens zusammen mit einem Druck der neuesten Preußischen Verfassung.

18 15 Seiten, Hechingen 1850 (Exemplar der Hohenzollerischen Heimatbücherei Hechingen,
Sig. G 235 b, als Beilage in: A. von Sallwürck, Die Vereinigung der Fürstenthümer Hohenzollern
mit dem Königreich Preußen. Sigmaringen 1850).

19 Daniel 2, 1-49.

20 Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Altes und Neues Testament. Aschaffenburg
1980, S. 999 f.

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