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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0503
Paul Münch

sollte92. Das Hohenzollerngeschlecht83 habe der Zeit den neuen Kaiser, der die Sage
vom alten Kaiser zur Wahrheit zu machen berufen war, geradezu schenken müssen.
Mit der Umdeutung der Kyffhäusersage gelingt es dem promovierten Lehrer, die
mangelnde dynastische Anciennität der Hohenzollerndynastie wettzumachen und
diesem während der Heroenzeit des Reiches im Mittelalter unbedeutenden Geschlecht
eine geradezu mythische Dignität zuzuschreiben. Theles kühnes Fazit, dem
jede realgeschichtliche Fundierung fehlt, könnte man als mißlungenes Produkt
pseudowissenschaftlichen Oberlehrerehrgeizes abtun, wäre sie nicht auch ein Zeugnis
für die merkwürdigen Blüten, die der nationaldynastische Kult auf lokaler Ebene
trieb: Das Geschlecht der Hohenzollern ist in der That dasjenige unter den deutschen
Fürstengeschlechtern, das, in allen seinen Aesten und Zweigen am längsten und
untrennbarsten mit den Geschicken des deutschen Volkes verbunden, den nationaldeutschen
Gedanken am entschiedensten in seiner Familientradition erhalten und
demselben durch seine edelsten Sprossen oft kräftigen Ausdruck gegeben hat. Es ist
auch dasjenige, das in seinen Geschlechtssagen am weitesten in die alte Heldenzeit
hinaufreicht und am deutlichsten an die uralten deutschen Mythen anknüpft^. Es
erscheint fast wie eine späte Einlösung des Theleschen Traumes, daß in dem 1897 eingeweihten
Kyffhäuserdenkmal das Reiterstandbild Wilhelms I. gewissermaßen aus
dem Kyffhäuserberg herausreitet25, und auch in der im gleichen Jahr restaurierten
Goslarer Kaiserpfalz die Kyffhäusersage als Beleg einer staufisch-hohenzollerischen
Kontinuität dient86.

Gegenüber Theles Mythologemen, die nicht ohne Echo blieben87, nehmen sich die
Zeugnisse moderater nationaler Haltung, wie sie sonst begegnen, recht bescheiden
aus. Die Hohenzollernschen Lande trugen während der Kaiserzeit bis in die Schul-

82 Ebd., S. 30 f.

83 Die folgenden Zitate ebd., S. 31.

84 Der pathetische Schluß der Untersuchung verbindet die Translation der Kaisersage mit der
nationalen Sendung des hohenzollerischen Aars: Der alte Zoller, der hohe Sonnenberg
Wuotans, war der Sitz eines Fürstengeschlechtes, das auf seiner solzen Höhe den
scharfen und freien Blick des Adlers gewann, die kräftigen Schwingen, den mächtigen
Flug, die dasselbe zur Erfüllung der Verheissung trugen, welche das deutsche
Volk in seinem alten Glauben an den "Kaiser Friedrich im Berge" sich selber gab und
über ein Jahrtausend starken Herzens festhielt. "So schiesset nun fort, Ihr Fäden des
Schicksals," das Fülle der Macht will

Vom Fels zum Meer!"

85 Vgl. Klaus von See: Barbar, Germane, Arier. Die Suche nach der Identität der Deutschen.
Heidelberg 1994, S. 85.

86 Vgl. Gisela Arndt: "Der Weißbart auf des Rotbarts Throne". Mittelalterliches und Preußisches
Kaisertum in den Wandbildern des Goslarer Kaiserhauses. Göttingen 1977.

87 Im Mai 1881 publizierte in der Unterhaltungsbeilage zu den Hohenzollernschen Blättern
(Im Familienkreise) ein gewisser Hieronymus Müller eine Humoreske mit dem Titel Hechingen
vor 1500 Jahren, die wohl gerade deswegen als Satire auf Thele gelesen werden sollte, weil
der Autor das vehement in Abrede stellte: Vorstehender Scherz ist veranlaßt durch die sehr
gediegene Abhandlung im diesjährigen Programm der hiesigen Höheren Bürgerschule. Um
indessen von vornherein Mißdeutungen entgegenzutreten, verwahrt sich der Hr. Verfasser
obiger Zeilen gegen die Auffassung seiner Humoreske als einer Parodie der genannten ver-

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