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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0504
Rollender Stein und schlafender Kaiser

bücher hinein den stolzen Namen Kaiserstammland&s, die Burg fungierte als Deutschlands
Kaisersitz. In dieser nationaldynastischen Rolle sah sie 1878 auch der schwäbische
Dichter und Sagensammler Gustav Schwab: Ja, nun thront sie stolz und freudig,
mit blanken Zinnen, die Burg der neuen deutschen Kaiser und das deutsche Volk
blickt vertrauensvoll hinauf zu seinen Schirmern und Schützern^. Solche patriotischen
Deutungen zeigen, daß der Hohenzoller zum weithin sichtbaren, romantisch
verklärten Symbol des Neuen Reiches stilisiert wurde. Zum politischen Wallfahrtsort
konnte er allerdings erst mit der touristischen Erschließung der Region werden. Die
1869 eröffnete Bahnlinie Tübingen-Hechingen weckte, wie bereits Stillfried bemerkte
, das Interesse für diesen Bau und erleichterte fortan dem Touristen den Besuch der
weithin sichtbaren Burg90. Daß sie nie als ständiger Wohnsitz der Hohenzollern,
sondern nur als sporadischer Besuchsort der Dynastie diente91, spricht dafür, daß ihr
von Anfang an eine öffentliche Funktion zugedacht war92.

Es scheint bisher unerforscht geblieben zu sein, wie weit die Bedeutung der Burg
tatsächlich reichte, ob der Hohenzoller nur als lokales und regionales Ausflugsziel
oder tatsächlich reichsweit als nationales Symbol wahrgenommen wurde. Immerhin
deutet die Existenz von Ansichtskarten, deren Quellenwert noch immer unterschätzt
wird93, darauf hin, daß sich während der Kaiserzeit um die Zollerburg ein nationaler

dienstvollen Arbeit. Müllers Satire zeichnet augenzwinkernd ein Bild Hechinges zur Römerzeit
, das ganz auf den mythologischen Phantasien Theles aufbaut. Der Weg führt zunächst in
die römische Oberstadt, wo alle Straßen und Wirtshäuser lateinische Namen tragen und man
beim Bier drei Lokalzeitungen liest „Folia Montesolaria" (Hohenzollernsche Blätter), „Solari-
hs" (Zoller) und den „Nuntius Danubii" (Donaubote). Dann geht es mit dem Kahn über die
wild rauschende Starzila in das von Germanen besiedelte Unterdorf Hachingum, zum Wodanstempel
(Niederhechinger Kirchlein) und zum Heiligthum der Göttin Berchta (St. Lützen),
wo eine große Zahl Germanen bei der Brauerei im Grase lagert. Sie singen Als die Römer frech
geworden und Zwischen Württemberg und Baden. Der Rundgang endet auf dem Zoller, dem
Möns solarius, der dem Sonnengott Wuotan geweiht ist. Nach der Vertreibung der Römer waltet
auf dem Sonnenberg, wo ein ganzer Zoo von Opfertieren (Sonnenrosse und Sonneneber)
bereitsteht, der Hattenoberpriester Liobo, ein Greis in langem weißen Gewände, die nationale
Hattenbinde um die Stirn geschlungen, seines Amtes. (Vgl. das Konvolut in der Hohen-
zollerischen Heimatbibliothek Hechingen, Sig. Ub 325).

88 Vgl. Anton Pfeffer: Vom Kaiserstammland Hohenzollern. Rottenburg a.N. 1913.

89 Zitiert bei Bothe, Burg Hohenzollern (wie Anm. 10), S. 11.

90 Stillfried=Alcantara, Hohenzollern (wie Anm. 48), Vorrede.

91 Vgl. zu den sporadischen Besuchen der Stammburg während des Kaiserreiches durch
Mitglieder des königlich preußischen Hauses: Zingeler, Vom Fels zum Meer (wie Anm. 53),
S. 83-91.

92 Kürzlich hat Ulrich Feldhahn die von Rolf Bothe behauptete Funktion der Burg als nationaldynastisches
Denkmal grundsätzlich in Frage gestellt, weil der Zollerburg der Charakter
einer ständigen Residenz gefehlt habe. Ermöglichte aber nicht gerade dieser Mangel andere
Funktionsbestimmungen, etwa die von Anfang an propagierte öffentlich-politische Rolle, die
wohl auch aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht unerwünscht war? (Ulrich Feldhahn:
Hohenzollern im Jahre 1862 mit den Augen einer englischen Preußin. Zum 100. Todestag von
Victoria Kaiserin Friedrich. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 37 (2001), S. 138).

93 Vgl. Rudolf Jaworski: Alte Postkarten als kulturhistorische Quellen. In: Geschichte in
Wissenschaft und Unterricht 51, 2000, S. 88-102.

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