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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0507
Paul Münch

Spott und Hohn goß man nicht bloß über die Hohenzollerndynastie, auch die
Burg mußte sich höchst abfällige Charakterisierungen gefallen lassen. Unter dem
Eindruck der nun die öffentliche Meinung beherrschenden Ästhetik der Neuen
Sachlichkeit vermochte ein Berliner Besucher in der Anlage des Baues keine leitende
Idee mehr zu entdecken: Hier oben wimmelt es von Toren, Kasematten, Höfen,
Schloßflügeln, Balustraden und Türmen. Und auf den Türmen sind wieder Türme
und auf den Türmen Türmchen und auf den Türmchen noch kleinere Türmchen, und
so geht es weiter. Ein grauenvolle Chaos. [...] Hier ist alles Weltausstellungsgewerbe
von Anno dazumal. [...] Und inmitten dieser phantasielosen Oede soll eine Idee
lebendig gewesen sein? [...] Es ist schlechterdings unmöglich, mehr auf einen Bergkegel
zu bauen. Der wahnsinnige Ludwig II. von Bayern wäre einer solchen
Barbarei nicht fähig gewesen, aber was ein geisteskranker Wittelsbacher nicht vollbrachte
, das haben die gesunden Hohenzollern gekonnt. [...] Wenn man glaubt, der
innere Abstieg der Hohenzollern habe erst mit Wühlern II. begonnen, so erscheint der
letzte Kaiser hier nur als ein Vollender dieses auf ihrem Stammschlosse zu Stein
gewordenen romantischen Größenwahns. Der wahnsinnige Ludwig II von Bayern
wäre einer solchen Barbarei nicht fähig gewesen, aber was ein geisteskranker Wittelbacher
nicht vollbrachte, das haben die gesunden Hohenzollern gekonnt^. Aus dem
neuen Mekka™ des nationalen Kults war in wenig mehr als einem halben Jahrhundert
ein von Autokarawanen, Menschenschlangen, Radfahrer-, Kraftfahrerkolonnen
entheiligtes Mekka des geschundenen Sandsteines101 geworden.

Noch vor dem Machtantritt Hitlers regte sich Kritik an der Hohenzollerndynastie
und der Burg sogar im beschaulichen ehemaligen Residenzstädtchen Hechigen,
wenngleich nur indirekt und mit einem gehörigen Schuß schwarzen Humors. Die
örtlichen Kommunisten nahmen am 9. Februar 1932 in einer Fastnachtsnummer
ihres Parteiorgans, das den von Haßliebe geprägten Namen Der rote Zoller trug, den
befürchteten Machtantritt Hitlers mit der Schlagzeile vorweg: Die Brütler-Regierung
ist da. Unter den 20 Notverordnungen des neuen Reichskanzlers Brüder spottet
die 16. folgendermaßen: Die Burg Hohenzollern wird zur Stammburg der neuen
Dynastie Brüder erklärt. Brüder erhebt sich in den HochadelW2. Die karnevaleske
Umwidmung der Hohenzollernburg karikierte in aller Öffentlichkeit die frühere
dynastische und nationale Aufrüstung der Burg und signalisierte damit das Ende
einer Epoche, während der Berg und Burg Hohenzollern eine weit über den lokalen
und regionalen Rahmen hinausreichende politische Bedeutung zugewiesen worden
war.

99 Auf Hohenzollerns stolzem Felsen, von Wilhelm Kiefer (Aus einer Berliner Zeitung, aufbewahrt
in der Hohenzollerischen Heimatbücherei Hechingen, K. 575, Nr. 14).

100 Vgl. oben, S. 485.

101 Kiefer (wie Anm. 99).

102 Zitiert bei Münch, Schwarz-Weiß (wie Anm. 12), S. 40.
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