Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0674
Zwangsarbeit und Ausländerbeschäftigung während des Zweiten Weltkriegs in Hechingen

russischer Offizier die Villa in der Ermelesstraße 1 bezogen, um die Rückführung der
russischen Zivilarbeiter vorzubereiten. Die Bewohner des Lagers wurden danach in
zwei Transporten mit Lastwagen nach Balingen gebracht, um von dort mit der Bahn
zurück in die Sowjetunion transportiert zu werden. Am Morgen des letzten
Abfahrtstages hätten die Russen im Lager eine „wilde Schiesserei" veranstaltet und
die Einrichtung demoliert502. Die beiden Transporte verließen vermutlich am 11. und
12. September 1945 Hechingen. An diesen beiden Tagen endeten jedenfalls nach
der Ausländerliste der Stadt die Beschäftigungsverhältnisse der meisten russischen
Zivilarbeiter mit ihren Hechinger Arbeitgebern503.

Auch die Polen blieben nicht mehr lange in Hechingen. Berichtet wird, die polnischen
Zivilarbeiter und die deutschen Umsiedler aus Polen seien bereits Ende Mai
1945 in das Durchgangslager Tübingen verlegt worden504. Auf der Suche nach Inter-
nierungsmöglichkeiten ermächtigte die Militärregierung in Hechingen am 11. Juni
1945 einen Angehörigen der polnischen Armee, Aspirant Sporny, auf dem Lindich ein
Lager einzurichten, das für ehemalige polnische Kriegsgefangene bestimmt ist. Der
Aspirant wandte sich an den Landrat in Hechingen, zu dem Zeitpunkt Peter Remark,
und forderte die Bereitstellung von Schloss, Kavaliershäuschen und Baracken505. Er
verlangte die Reinigung des Geländes und dass vor allem alle Einrichtungsgegenstände
wie Betten, Möbel, Schränke und Kücheneinrichtung, die s. Zt. zum grössten Teil
zunächst von Einwohnern aus Hechingen und den benachbarten Gemeinden unberechtigt
fortgeschafft wurden, sofort zurückgebracht werden. Der Landrat wandte
sich am 20. Juni schriftlich an den neuen Hechinger Bürgermeister Otto Fritz, der um
Veranlassung gebeten wurde. Seinem Schreiben fügte der Landrat den Hinweis hinzu,
das Lager werde vermutlich schon am Montag von etwa 600 ehemaligen polnischen
Kriegsgefangenen belegt. Aber der 25. Juni verstrich, ohne dass eine polnische
Gruppe kam. Stadtinspektor Heinrich Jakob konnte deshalb am 30. Juni die Akte
schließen, indem er handschriftlich auf dem Schreiben des Landrats vermerkte: Die
Einrichtung des Polenlagers auf Schloß Lindich ist unterblieben. Die Angelegenheit
ist erledigt506.

Einen Sonderfall bildeten die sogenannten eindeutschungsfähigen Umsiedler in
Hechingen. Sie waren während des Kriegs Ausländer mit Vorrechten und blieben
nach dem militärischen Zusammenbruch als Flüchtlinge, weil sie von der nationalsozialistischen
Volkstumspolitik gegenüber ihren Nachbarn bevorzugt worden waren.
Über die Chancen einwanderungswilliger Ausländer, in den Genuss der deutschen
Staatsbürgerschaft zu gelangen, entschied seit 1941 die vom Reichskommissar für die

502 Chronik-Entwurf (wie Anm. 21) S. 107f.

503 StAS, Ho 13 T 2 Nr. 716/2, Befehl Nr. 1792 des Generals Koenig. Hechingen.

504 Chronik-Entwurf (wie Anm. 21) S. 104.

505 Das Schloss Lindich war von der Stadt Hechingen für die SA lagermäßig ausgebaut
worden, die dort 1934/35 eine Führerschule unterbrachte. 1942/43 führte der Bann 127 der
Hitlerjugend auf dem Lindich ein Wehrertüchtigungslager, am Ende des Krieges nutzte die
Wehrmacht die Anlage.

506 StadtAH, A200 Reg.-Nr. 9731, Requisitionen/Radioabgabe/Sonstiges. 2. Besatzungsangelegenheiten
, Einzelne Requisitionen 1945-46.

659


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0674