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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0734
Besprechungen

Peter Blickte: Kommunalismus. Skizzen einer gesellschaftlichen Organisationsform.
Bd. 1: Oberdeutschland, Bd. 2: Europa. München: Oldenbourg 2000.196 u. 422 S.

Die vorliegende Studie würdigt die kommunale bürgerliche Selbstorganisation seit
dem späten Mittelalter als eigenständiger Beitrag zur europäischen Verfassungsgeschichte
, ohne den letztlich auch die demokratische politische Kultur der Gegenwart
nicht denkbar ist (vgl. Bd. 1, S. 7). In diesem Sinne grenzt der Verfasser einleitend den
Kommunalismus vom Feudalismus und vom territorialstaatlichen Monarchismus
bzw. Absolutismus der Frühen Neuzeit ab (Bd. 1, S. 3ff.); später wird er formulieren,
dass Kommunalismus Herrschaft „erträgt", sich aber nicht aus ihr ableitet und in
Widerspruch steht zu monarchischem und kirchlichem Zentralismus (S. 69; vgl.
Bd. 2, S. 122f., 132).

Ein erster, geographisch kleiner „Kreis" der Untersuchung zwischen Memmingen
und Kempten wurde archivalisch erforscht. In einem zweiten Schritt greift Blickle auf
Oberschwaben, die Schwäbische Alb und den Südschwarzwald sowie auf Vorarlberg
und (Süd-) Tirol aus. Drittens werden Teile des Wallis und Graubündens im Süden
sowie eine Diagonale zwischen dem Oberrhein und Thüringen mit erfasst. Als
„sperrig" (Bd. 1, S. 13) gegenüber dem Ansatz erweisen sich angrenzende Räume
wie Lothringen, Sachsen und Bayern. Der dreiteilige Bd. 2 wertet vorwiegend
Forschungsliteratur aus. Die Darstellung oszilliert hier in Raum und Zeit zwischen
geographischen Peripherien (Skandinavien, Spanien, Russland und England) und
zentralen Regionen Alteuropas (ost- und westfränkisches Reich). Sodann werden die
„Formen und Figurationen" der „kommunalen Gesellschaft" systematisch beschrieben
- „von der Toscana bis nach Norwegen" (Bd. 2, S. 133) - und ideengeschichtlich
untermauert. Die Zusammenfassung würdigt „Kommunalismus [als] Urgestein des
Politischen in Europa" (Bd. 2, S. 359, vgl. 102, 115).

Empirisch entwickelt Peter Blickle den Kommunalismus-Begriff aus Forschungsrichtungen
, die er wesentlich mitgeprägt hat, so zur Agrarverfassung, ländlichen
Revolten und zur Reformation. So sei in der „zunftverfaßten" Stadt Memmingen der
neue Glaube 1524/25 letztlich durch „die Gemeinde als Institution der Verfassung"
durchgesetzt worden; der Rat sei ihr „repräsentatives Organ" gewesen (Bd. 1, S. 26).
In den umliegenden Dörfern war zwar die Durchsetzung eigener religiöser Vorstellungen
nicht möglich, aber den Amtsträgern verblieben zentrale öffentliche Aufgaben
wie die Verwaltung der Allmende und die Friedwahrung, teils aus eigenem
Recht, teils in Vertretung der Herrschaft, und sie vertraten die Gemeinde im Streit mit
dem Ortsherrn um die Satzungskompetenz. Der Verfasser räumt ein, dass für Dorf
und Stadt keine gemeinsamen Entstehungs- bzw. Gründungsumstände benannt
werden können. Aber er insistiert darauf, dass beide als Schwureinungen entstanden
(Bd. 2, S. 150ff.) und mit den „Vierern" (oder ähnlichen Ausschüssen) bzw. Rat,
Gericht und der regelmäßig tagenden Gemeindeversammlung prinzipiell über die
gleichen Organe verfügten, die „von unten her" legitimiert agierten (allgemein: Bd. 2,
S. 132ff.). Er weist somit die etablierte „scharfe Trennung einer städtischen von einer
dörflichen Welt" (Bd. 1, S. 67) grundsätzlich zurück, auch im Hinblick auf die
Schweizer Stadt- und Landsgemeinde (Bd. 2, S. 144) und die französische „Commune
" im Ancien Regime (Bd. 2, S. 274).

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