Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0758
Besprechungen

populären Studie bereits zu Lebzeiten seine erste Biographie erhalten. Auch wenn
Lehmann so wenig wie der in Sigmaringen geborene Lothar Späth oder die beiden
„Hechinger" Klaus Kinkel und Markus Wolf ein „besonders typische(r) Hohen-
zoller" ist, wie Fritz Kallenberg in seinem Hohenzollern-Handbuch (S. 33) zu Recht
konstatiert, so sind, im Unterschied zu der eher zufälligen und vorübergehenden
Hohenzollern-Beziehung zumindest von zwei der drei anderen, Herkunft, Werdegang
und vielleicht sogar eine gewisse mentale Prägung des Theologen durchaus eng
mit dem Zollerländchen und dessen Geschichte verbunden.

Der Heimatort von Eltern und Vorfahren des am 16. Mai 1936 im Sigmaringer
Fürst-Carl-Landeskrankenhaus geborenen Karl Lehmann ist Langenenslingen, wo
dieser während des Kriegsdienstes seines Vaters im Zweiten Weltkrieg auch mehrere
Kindheitsjahre auf dem großelterlichen Bauernhof der Waldner verbringt. Vor und
nach dieser Langenenslinger Phase lernt der spätere Kirchenmann an der Seite seines
Vaters, des gleichnamigen Volksschullehrers Karl Lehmann, als mitbetroffener Familienangehöriger
auf einer durchaus typischen Lehrer-Odyssee nicht weniger als sechs
Schul- und damit auch Wohnorte quer durch Hohenzollern, von Empfingen über
Hörschwag nach Grosselfingen und von Liggersdorf über Tafertsweiler nach Verin-
genstadt, kennen. Die Heirat der Eltern 1934 und damit auch die Geburt des ältesten
Sohnes 1936 war dabei erst möglich gewesen, nachdem der Vater, elf Jahre nach
Abschluss der Präparandenausbildung im rheinländischen Boppard und nach dem
Beitritt zur NSDAP, endlich die ersehnte Lehrerstelle und damit die materielle
Grundlage für die Familiengründung erhalten hatte.

Zum hohenzollerischen Erbe Lehmanns gehören zweifellos die Kindheitserfahrungen
einer tief eingeprägten Volksfrömmigkeit und selbstverständlichen
Verankerung in einer ländlich bestimmten katholischen Lebenswelt: Zwei ältere
Schwestern des Vaters sind Benediktinerinnen im Kloster Habsthal, die Eltern heiraten
in der Abteikirche von Beuron, und als der begabte Junge seit 1948 das Sigmaringer
Gymnasium besucht, findet er zeitweise Unterkunft im Konvikt St. Fidelis, das
bekanntlich noch bis weit in die Nachkriegszeit hinein seinem Ruf als Pflanzstätte
des katholischen Klerikernachwuchses alle Ehre machte. Das Ressentiment der
Menschen in der katholisch-konservativen Hochburg Hohenzollern gegenüber den
protestantischen und auf politischem Feld stark liberal geprägten Altwürttembergern
ist dem Kardinal bis heute erinnerlich, auch ihn selbst zog es auf seinen jugendlichen
Urlaubs- und Ausflugsfahrten eher in das durch Sprache und Mentalität verwandte
Oberschwaben und nach Bayern denn zu den Unterländern und zumal den Reutlin-
ger „Kasernenhofschleifern" jenseits der Alb (S. 32).

Geradezu prophetische Qualität misst Deckers der Namenswahl von Lehmanns
Eltern für ihren Erstgeborenen bei: Nicht nach dem im Ländchen als Namensspender
beliebten hohenzollerischen Landespatron Fidelis von Sigmaringen, dem militanten
Glaubens-Eiferer und Märtyrer der Gegenreformation, wurde das Kind benannt,
sondern nach dem Mailander Kardinal Karl Borromäus, auch er ein Mann der katholischen
Reform, der indessen nicht auf äußeren Zwang, sondern auf die Macht der
Uberzeugung setzte und zum „Inbegriff von Bildung und Gelehrsamkeit katholischer
Prägung" (S. 25f.) wurde. Mit seiner beeindruckenden wissenschaftlichen
Laufbahn, noch mehr aber mit seinem irenischen Naturell und seiner auf Ausgleich

743


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0758