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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0764
Besprechungen

fehlen für die Nachkriegszeit die langen Schatten der NS-Zeit? Warum werden weder
die Studentenunruhen noch Wyhl auch nur erwähnt - und all das, was Thomas
Schnabel vorbildlich gegen den allgegenwärtigen Jubiläumston im sogenannten
„Musterländle" anspricht? Die Rücktritte von Hans Filbinger und Lothar Späth
werden angemessen geschildert, dagegen lesen sich die drei letzten Kapitel passagenweise
wie Regierungserklärungen. Fazit: Es wäre sehr zu hoffen, dass das Buch bei
allen seinen hier nochmals hervorzuhebenden Stärken eine zweite Auflage erlebt, bei
der all diese Dinge zurechtgerückt werden können.

Der große Sammelband von Paul-Ludwig Weinacht umfasst eine geradezu gewaltige
Bandbreite von Themen: moderne Stadtgeschichte, Behörden- und Verwaltungsgeschichte
, Schulgeschichte bis hin zur Trinkwasserversorgung. Ausführlich wird
auch das Thema Grenzregion und grenzüberschreitende Zusammenarbeit behandelt,
auch an so prekären Punkten wie dem Rheinseitenkanal {Herbert Moser). Die wechselvolle
Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen lässt sich hier geradezu
exemplarisch verfolgen, wobei Moser aus intimer Kenntnis heraus versichern kann,
wie produktiv sich hier die Zusammenarbeit entwickelt hat. An vielen Stellen wird
konkret, wie sich „Behördenpoker" {Herbert A. Weinacht, S. 393) um Standorte etwa
in der Finanzverwaltung abspielt, wie Etappensiege und Kompensationsgeschäfte die
langen Entscheidungszeiten begleiten. Ein zweites überaus sprechendes, geradezu
spannend zu lesendes Beispiel ist die Archivverwaltung, wo „Stuttgarter Zentralismus
" (in Gestalt des Haupt- und Staatsarchivs Stuttgart) und „badisches Profil" (in
Gestalt des Generallandesarchivs Karlsruhe) um Behördenstrukturen und Weisungsbefugnisse
sich einen jahrelangen Kampf liefern, um in einer Art von Waffenstillstand
vorläufig zu enden {Konrad Krimm). Nicht minder spannend ist der „innerbadische"
Kampf um die Selbstständigkeit des Staatsarchivs Freiburg, das sich gegen die alte
Metropol-Stellung des Karlsruher Generalstaatsarchivs zu Wehr setzen muss und erst
1975 sein Ziel erreicht {Kurt Hochstuhl). Die Wichtigkeit des Bandes besteht darin,
dass bei oft spürbarer grundsätzlicher Sympathie mit der altbadischen Position genügend
zeitliche und wissenschaftliche Distanz besteht, um hier zu einer ausgewogenen
Bilanz zu kommen. Überdies bildet er gleichzeitig ein kritisches Gegengewicht
gegenüber „großwürttembergischer" (Schein-)Naivität, die immer neu versichert, im
gemeinsamen Bundesland sei alles zum Besten bestellt. Ein Glanzstück solch kritischen
Abwägens und differenzierten Nachspürens aus badischer Sicht bietet Lothar
Burchardt in seinem Aufsatz zur Konstanzer Stadtgeschichte. Er schreibt: „Geblieben
sind jedoch eine (überwiegend verbale) Abneigung gegen die .Schwaben' und
(mindestens bei manchen Älteren) eine nostalgische Verklärung Altbadens. Sie äußert
sich vorzugsweise, indem zur Fasnachtszeit Gelb-Rot-Gelb getragen wird oder
indem man auf dörflichen Festveranstaltungen zu später Stunde das Badner-Lied
anstimmt. Im übrigen bildet .Baden' gewissermaßen ein latentes Protestpotenzial und
geistiges Refugium, das der überzeugte Badener aufsucht, wenn er sich von .Stuttgart'
übervorteilt oder mißachtet fühlt" (S. 302/303). Bei der Fülle der Beiträge ist klar, dass
nicht alle sich auf diesem Niveau bewegen. Die Aufsätze etwa zur Badischen Landeskirche
und zum Erzbistum Freiburg sind von erschreckender Harmlosigkeit (wie
etwa der Vergleich mit Uffelmanns zitierter Arbeit lehrt). Dass Erzbischof Gröber im
Hinblick auf seine Haltung zum Nationalsozialismus eine überaus schillernde Figur

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