Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0050
Heinrich Bücheler

in Lissabon eingezogen. Die Königsfamilie Braganza floh nach Brasilien. Nach der
Landung Wellingtons konnte Junot Portugal ebensowenig behaupten wie seine fähigeren
Nachfolger Massena und Marmont. Murat erhielt am 20. Februar 1808 im Ely-
see seine Ernennung zum Stellvertreter des Kaisers in Spanien: was vor allem in Caroline
sofort die Hoffnung auf eines der größten Königreiche Europas weckte. Sie
ermahnte den Gatten, die Befehle des Kaisers nur ja genau auszuführen. Dies aber
führte zum Madrider Blutbad vom 2. Mai 1808, dem „Dos de Mayo," in welchem
Murats Truppen den ersten Aufruhr der Anhänger des jungen Königs Ferdinand VII.
niederschlugen. Die blutigste halbe Dekade in der Geschichte Spaniens begann. Daß
Murat sich für das Königreich Neapel und nicht für Portugal entschieden hatte,
bewahrte ihn in den kommenden Jahren vor den immer grausigeren Strudeln auf der
iberischen Halbinsel. Für Caroline war die Unerreichbarkeit des Madrider Throns
aber eine herbe Enttäuschung: Sie hatte sogar die Unterstützung Fouches und Tal-
leyrands für ihren Wunschtraum gewonnen. Murat selbst kam in beeindruckender
Haltung über diese Zurücksetzung gegenüber seinem Schwager hinweg, der zum
Aufstieg des Kaisers ja viel weniger beigetragen hatte als er. Macht allein bedingt noch
nicht Glück! Glück findet man nur in der Hingabe! schrieb er damals.

Mehr als viele seiner Vorgänger auf dem alten Thron am Vesuv wollte der „Re Gio-
acchino", wie die Neapolitaner ihren neuen Herrn im Palazzo Reale nannten, als ein
guter König den vielen armen Lazzaroni Brot und Spiele verschaffen. Das zweite war
aber leichter als das erstere. Von seinem Schwager, König Joseph, hatte Murat den
tüchtigen Minister und Ratgeber Cristofero Saliceti übernommen, einen Korsen.
Engagierter als Joseph nahm Murat sich indes den Nöten der ländlichen Bevölkerung
an. Eine Bodenreform sollte die vom Adel gedrückten Kleinbauern stärken, steigerte
auch die Produktion vor allem des Haupterzeugnisses Olivenöl; aber Ausfuhr und
Handel wurden durch die Kontinentalsperre schwer behindert. Uneingeschränkt
konnten hingegen das Verkehrs- und Gesundheits- sowie das Schulwesen gefördert
werden. Mit dem Code Civil wurde auch die Schulpflicht eingeführt. Jedes Dorf
erhielt eine Grundschule, Neapel eine Lehrerbildungsanstalt und jede Provinz eine
Ackerbauschule. Die Universität Neapel bekam von Murat eine Sternwarte und einen
botanischen Garten. Königin Caroline förderte die archäologischen Ausgrabungen in
Pompeji, gewiß nicht uneigennützig, aber nunmehr doch auf sachkundigerer Grundlage
. Weniger erfolgreich blieb der große Soldat Murat auf seinem ureigensten Gebiet.
Die innere Sicherheit im Königreich herzustellen gelang nie ganz; vor allem nicht in
der schwierigen Provinz Kalabrien, wo von Neapel bis Reggio zahllose Nachkommen
Fra Diavolos an den Bäumen gehangen haben sollen.

Während Napoleons Abwesenheit in Spanien, 1808/09, hofften die zwei nach ihm
mächtigsten Männer im Kaiserreich, der Polizeiminister Fouche und der Außenminister
Talleyrand, ihr strenger Gebieter würde nie von der aufrührerischen Halbinsel
zurückkehren und machten sich Gedanken über den Nachfolger. Sie dachten an den
König von Neapel, den sie für leicht lenkbar hielten, so daß die wirkliche Macht im
Staate ihnen beiden zufallen würde. Ob Napoleon von diesen Gedankengängen des
Fürsten von Benevent und des Herzogs von Otranto Kenntnis erhielt, ist ungewiß.
Man darf es aber vermuten. Der englische Staatsmann und Diplomat Duff Cooper
schreibt in seiner berühmten Talleyrand-Biographie, daß Talleyrand schon ab 1807

38


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0050