Freiburger historische Bestände - digital

Jürgen Treffeisen

lieh ausführlicher behandelt29, als die eigene, zwei Tage zuvor veranstaltete Fahnenweihe30
. Die Feierlichkeiten der Riedlinger Fahnenweihe waren im Vergleich zu der
Sigmaringer eher bescheiden ausgefallen. Das Sigmaringer Fest war - so beginnt der
Eintrag im Protokollbuch - vom schönsten Wetter begünstigt. Morgens um 10 Uhr
wurde die Fahne in Sigmaringen übergeben und enthüllt. Dann führt das Protokollbuch
die Festredner in der auch im Erzähler genannten Reihenfolge an31. Dies ist
alles, was das Riedlinger Protokollbuch zum Akt der Fahnenweihe und den dort
gehaltenen Reden vermerkt. Obwohl die Festredner exakt wiedergegeben werden und
mit Perochet der Riedlinger Sprecher gleichfalls als Redner in Erscheinung getreten
war, findet sich hier kein Hinweis auf politische Inhalte. Ganz im Gegenteil - die
Schilderung der Veranstaltung wird fortgesetzt, beschränkt sich jedoch ausschließlich
auf deren gesellschaftlichen und unterhaltenden Aspekt: Die Speisetafel für die Riedlinger
, Biberacher und einen Teil der Sigmaringer war im Mohren aufgeschlagen,
während die andere Hälfte draußen gedeckt war. Nachmittags begannen die Turnspiele
, bei welchen der Turnwart Fatio von 5[igmaringen] eine besonders rühmliche
Kraft- und Fertigkeit entwickelte. ... 7 Uhr abends begann der Ball. Jedermann
weiß, wie rüstig sich die jugendlichen Schergen bei Bällen einzufinden pflegen, zu
dessen Beweis daher auch die Damen S[igmaringens] sich zahlreich auf dem Saal zum
Bären einfanden. Es bekam alles eine solche Tanz- und andere Wut, dass es sehr
schwerfiel, die flotten Riedlinger Turner um 1 Uhr zur Rückreise zu bewegen. Mit
einer Annonce im Erzähler hatten die Sigmaringer Turner zuvor alle ledigen Bürgertöchter
und Frauen der Mitturner und Ehrenmitglieder zum Ball eingeladen32. Kein
Wort fiel im Riedlinger Protokollbuch über die politische Einstellung der Turner. Der
Sport und die damit verbundene Geselligkeit hielt der Protokollant einzig für erwähnenswert
. Dies ist umso erstaunlicher, als auch die Riedlinger Turner in der Revolution
eine bedeutende Rolle spielten. Politik und Revolution war für die damaligen Turnen
offensichtlich doch nur von zweitrangiger Bedeutung. An erster Stelle stand das
Turnen als sportliche Betätigung und die damit verbundenen geselligen Veranstaltungen
. So verwundert es nicht, dass der Protokolleintrag der Riedlinger Turner nicht,
wie man vielleicht erwarten könnte, mit einem Aufruf auf die Demokratie und die
politischen Aufgaben der Turner endet, sondern mit der episodenhaften Schilderung
der Rückfahrt nach Riedlingen: Auf der Rückfahrt ist besonders hervorzuheben, dass
die meisten vom Geiste des Weines beseelt, in einen festen Schlaf versanken und dann
endlich morgen gegen 2 Uhr wieder glücklich hier anlangten.

29 StAL E 320 Bü 13, diese Passage auch bei Steim, Revolution (wie Anm. 16) S. 193: Indessen
hatten einige - besonders Sorger - durch seinen Einßuss es soweit gebracht, dass eine Fahne
verfertigt wurde, welche, um den Eifer und die Lust zum Turnwesen zu erhöhen, einige Tage
vor der Sigmaringer Fahnenweihe mit einige Worten der Freundschaß und Liebe übergeben
wurde.

30 Steim, Revolution (wie Anm. 16) S. 193.

31 Rain von Sigmaringen, Fatio, Perochet, Miller Stadtrath von Riedlingen, Langer von
Biberach, Wurth Advokat, Rain von Sigmaringen.

32 Der Erzähler Nr. 74, 15. September 1848, S. 230: Auf den am 17. D[iesen] Af[onats] stattfindenden
Turner-Ball werden anmitt alle ledigen Bürgertöchter und Frauen der Mitturner
und Ehrenmitglieder freundschaftlich eingeladen. Das Ballokal ist im Gasthof zum Bären.

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