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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0106
Barbara Guttmann, Ute Grau

Dabei beleuchtete er nur einen Aspekt des Zusammenhangs zwischen aufkommender
Textilindustrie und Eheschließung. Schuf einerseits die (vor)industrielle Textilar-
beit eine materielle Basis zur Führung eines Hausstands, wurde andererseits in vielen
Fällen die Existenzgründung im Textilgewerbe erst durch eine Eheschließung möglich
. Arbeitskraft und Mitgift der Braut waren noch immer die stärksten Motive für
eine Heirat.

8. WEIBLICHES KAPITAL: ARBEITSVERMÖGEN UND MITGIFT

Doch Frauen brachten in der Entwicklungsphase der Tailfinger Textilindustrie nicht
alleine ihr Arbeitsvermögen ein. Vielen Existenzgründern wurde der Erwerb von
Maschinen erst mit dem von ihren Ehefrauen eingebrachten Vermögen möglich, denn
die Anfänge der Industrialisierung waren in Tailfingen, wie auch in der gesamten
Region, durch Kapitalmangel geprägt. Es gab vor Ort weder kapitalkräftige Handwerker
noch kamen Gründer von außen, die Geld mitbrachten. Auch ein ausgebildetes
Bankwesen fehlte zunächst54. Erst 1885 gründeten Tailfinger Gewerbetreibende
die Gewerbebank, die heutige Völksbank55.

Mein Wille und meine Kräfte mussten aber immer unter meiner Vermögenslosigkeit
begraben bleiben, schrieb beispielsweise Johannes Fröschle aus Tailfingen 1865
an die Königliche Centralstelle für Handel und Gewerbe. Zusammen mit seiner Ehefrau
- sie hatten drei Kinder - hatte er als Manchesterweber in langjähriger Arbeit ca.
1.500 Gulden angespart, die er dann als Basis für die Anschaffung von Stühlen zur
Corsettherstellung nutzte. Im Auftrag der Göppinger Corsett-Fabrikanten Stein-
hard, Herz u. Co produzierte er nun mit Arbeitern an 20 Stühlen und plante eine
Erweiterung des Betriebs, für die er die Centraistelle um Gewährung eines Darlehens
bat56.

Dieser Vorgang zeigt eine für Tailfingen sehr typische Situation. Kapital war keines
vorhanden und auch die Centralstelle für Handel und Gewerbe steuerte bestenfalls
vergleichsweise kleine Beträge bei57. Viele Familien konnten bei der Beschaffung der
Maschinen daher lediglich auf ihr privates Vermögen, d. h. das, was Mann und Frau
in die Ehe eingebracht und im Lauf der Jahre gemeinsam vermehrt hatten, zurückgreifen
. Dabei handelte es sich durchweg allerdings nicht um große Geldsummen
oder gar Immobilien. Die Mehrheit der Tailfinger Bevölkerung jener Gründerjahre

54 Gert Kollmer: Die Industrialisierung im Raum Albstadt und der Einfluss des Pietismus.
In: 700 Jahre Stadt Ebingen. Vorträge zur Geschichte. Albstadt 1986, ohne Seitenangaben.

55 Volksbank Tailfingen eG. Jubiläumsschrift zum 100jährigen Bestehen. Albstadt-
Tailfingen (1985).

56 StA Ludwigsburg E 170, Bü. 1252, Förderung der Korsettfabrikation 1875 -1884.

57 Zwischen 1830 und 1848 förderte die Centralstelle für Gewerbe und Handel den Aufbau
der Industrie im gesamten Königreich im Durchschnitt mit jährlich 60.261 Gulden - verschwindend
gering, wenn ein ganzes Land industrialisiert werden soll. Kollmer (wie
Anm. 54), S. 53.

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