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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0125
Frauenarbeit in der Industrialisierungsphase

terinnenverein, der zunächst 108 Mitglieder und 1905 bereits 140 Mitglieder zählte.
Ein vergleichbarer Verband ist für Tailfingen nicht belegt. Ziel des Ebinger Arbeiterinnenvereins
, dessen Vorsitz der katholische Stadtpfarrer innehatte, war, „das geistlich
-sittliche Wohl der in der hiesigen Pfarrei ansässigen katholischen Fabrikarbeiterinnen
und Dienstboten zu fördern." Zu diesem Zweck wurde u. a. Haushaltungsunterricht
erteilt'22. Eine Verbesserung der Lohnverhältnisse und Arbeitsbedingungen
stand hier nicht auf der Tagesordnung. Das gewerkschaftliche Engagement der
Textilarbeiterinnen der Region dürfte äußerst gering gewesen sein und ist für die
Industrialisierungsphase in Tailfingen nicht zu belegen.

Es ist auch nicht verwunderlich, wenn die Arbeiterinnen nach zehn- oder elf-stün-
diger Fabrikarbeit - bei einer Sechs-Tage Woche - sowie der Sorge für die Familie keine
Kraft mehr fanden, sich für eine Verbesserung ihrer Situation einzusetzen. Die
Gewerkschaften waren meist von männlichen Arbeitern getragen und geprägt, Arbeiterinnen
sprachen sie kaum an. Die „Filiale" Tailfingen des Deutschen Textilarbeiterverbandes
lud in seinen Veranstaltungsankündigungen in der lokalen Presse die
Arbeiterinnen jedenfalls nicht ausdrücklich ein.

1911 führten der Textilarbeiterverband sowie der „Gewerkverein der deutschen
Textilarbeiter" mit den Tailfinger Trikotfabrikanten über mehrere Wochen eine Lohn-
Auseinandersetzung. Die Firma Hildenbrand und Co. hatte ihren Arbeitern und
„Nähterinnen" einen „beachtlichen Lohnzuschlag" gewährt, während die anderen
Arbeitgeber dies mit dem Hinweis, Lohnerhöhungen seien ihr Ruin, ablehnten.
Durch ein diesbezügliches Entgegenkommen seitens der Arbeitgeber würde die Ruhe
und der Friede in der Gemeinde am besten erhalten bleiben, war in der Tailfinger
Zeitung am 3. März 1911 zu lesen123. Die Arbeitgeber lenkten aber keineswegs ein.
Mitte Juni luden die beiden Tailfinger Arbeiterverbände „sämtliche Fabrikarbeiterinnen
und Arbeiter" zu einer Versammlung im Museum-Saal ein, um weitere Maßnahmen
zu beschließen. In der Tailfinger Zeitung war zu lesen: Arbeiter und Arbeiterinnen
, es ist eure heiligste Pflicht und Schuldigkeit bei dieser Versammlung in Massen
zu erscheinen124. Nun, als es um einen möglichen Streik ging, wurden auch die Arbeiterinnen
angesprochen, denn ohne sie, die die Mehrheit der Belegschaften stellten,
wäre ein solcher kaum durchführbar gewesen. Die Versammlung konnte sich jedoch
zu keinen Kampfmaßnahmen durchringen. Die Trikotfabrikanten erklärten wenige
Tage später in der Presse, in Tailfingen würden die höchsten Löhne der Branche
bezahlt und im übrigen träfe der dem Arbeitgeber „angedichtete Wohlstand" nicht
minder auf die Arbeitnehmer zu125.

In Tailfingen, das tatsächlich bei den Löhnen in der Trikot-Industrie Württembergs
ein Schlusslicht bildete, konnte sich die Arbeiterschaft 1911 zwar zu keinem
Arbeitskampf entschließen, die Vorgänge zeigen jedoch, dass sich das soziale Klima

122 StA Ludwigsburg E 191, Bü. 3521, Marienheim Ebingen 1901-119, Satzung des katholischen
Arbeiterinnenvereins in Ebingen.

123 Tailfinger Zeitung Nr. 38 vom 30. November 1911.

124 Dies. Nr. 82 vom 17. Juni 1911.

125 Dies. Nr. 91vom 3. Juli 1911.

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