Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
41(126).2005
Seite: 109
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2005/0121
Die Geschichte der Justiz in Hechingen

So zum Beispiel Friedrich Schenk von Stauffenberg aus der Wilflinger Linie der
Stauffenbergs, der mit seiner Familie nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 in
Schutzhaft, d.h. in Sippenhaft genommen worden war. Dazu muss man wissen, dass
der Hechinger Oberstaatsanwalt gleichzeitig auch Leiter der Haftanstalt war - das
war noch bis in die Mitte der 70-er Jahre so. Wanner wurde 1945 suspendiert, aber
schon 1947 als Landgerichtsdirektor und Strafkammervorsitzender in Rottweil wieder
reaktiviert und ging dort 1954 in den Ruhestand.

Die Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden

An dieser Stelle noch ein paar Worte zu der Frage, weshalb die Justiz nichts gegen die
Untaten des NS-Regimes unternommen hat, wofür zunächst einmal die Staatsanwaltshaft
als Strafverfolgungsbehörde zuständig gewesen wäre.

Viele, wahrscheinlich die meisten, wollten nichts unternehmen, weil sie mit dem,
was da geschah, im Großen und Ganzen einverstanden waren - wo gehobelt wird, da
fallen Späne, mit solchen Platitüden wird gemeinhin das Restgewissen beruhigt.

Und die wenigen, die sich nicht damit beruhigten, wagten es nicht, etwas zu unternehmen
. Zwar gab es (anderwärts, nicht in Hechingen) auch bei der Justiz vereinzelten
Widerstand. Dieser Widerstand verdient größte Hochachtung und war gewiss
nicht sinnlos. Aber er war aussichtslos, nachdem sich das Regime erst einmal etabliert
hatte. Außerdem war jedes Risiko völlig unkalkulierbar, denn unter einer Willkürherrschaft
gibt es kein kalkulierbares Risiko und nur wenige taugen zum Märtyrer,
das wäre heute nicht anders als damals. Und zum anderen gab es, zumindest auf dem
Papier, vielfach keine rechtliche Möglichkeit mehr, gegen das Treiben der Machthaber
vorzugehen.

Dazu nur zwei Beispiele: Die Anordnung von Schutzhaft, eines der wichtigsten
Instrumente der Machthaber, beruhte auf der Notverordnung des Reichspräsidenten
- also noch Hindenburgs - zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933,
der sogenannten „Reichstagsbrandverordenung". Mit dieser Verordnung erhielt die
Exekutive, also konkret die Polizei und später die Gestapo und die SS, freie Hand zur
Beschränkung der persönlichen Freiheit, zu Eingriffen in die Meinungs- und Pressefreiheit
, in das Post- und Briefgeheimnis und anderes mehr. Die dritte Gewalt, die
Justiz, hatte in diesem Bereich keine Zuständigkeiten und nichts zu sagen, sie war
gesetzlich ausgeschaltet. Sie durfte allenfalls ihre Haftanstalten für die Schutzhäftlinge
zur Verfügung stellen - was freilich eine Ausnahme und für die Betroffenen meistens
ein Glück im Unglück war. Und was aus einem Staatsanwalt geworden wäre,
der es gewagt hätte, in einem Folterkeller der Gestapo oder in einem KZ zu ermitteln,
kann man sich unschwer vorstellen.

Zweites Beispiel (die Reihe ließe sich fast beliebig fortsetzen): Die Gewalt- und
Mordaktionen aus Anlass des sogenannten Röhm-Putsches im Jahr 1934, der in
Wirklichkeit kein Putsch gegen Hitler, sondern ganz im Gegenteil eine sorgfältig
geplante und groß angelegte Mordaktion Hitlers war - diese Aktionen wurden auf der
Grundlage des Ermächtigungsgesetzes kurzerhand durch das „Gesetz über Maßnahmen
der Staatsnotwehr vom 3. Juli 1934" für rechtmäßig erklärt.

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