Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 42
(PDF, 55 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2006/0054
Wilfried Schöntag

staatsrechtliche Zwecke handelt. Er glaubt, dass die Beuroner Geschichtsforschung
betrieben hätten und ist selbst fixiert auf den Nachweis eines karolingischen Klosters
Alt-Beuron. Dabei übersieht er, dass diese angebliche erste Klostergründung nur ein
Baustein innerhalb eines umfangreichen Plans war, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
Beurons verfassungsrechtliche Stellung zu verbessern und die Reichsstandschaft
anzustreben. Auch das von Schmale geforderte Motiv für die Fälschung kann
benannt werden. Da das Stift Beuron im Tal seit der Gründung landsässig war, sollte
die angestrebte Reichsunmittelbarkeit durch die Existenz eines karolingischen reichsunmittelbaren
Klosters Alt-Beuron begründet werden. Dass hierfür auch Teile der
Geschichte von Beuron im Tal umgeschrieben werden mussten, - erinnert sei nur an
die adeligen Pröpste, die zu einem Reichsstift gehörten, die es aber in Beuron nie
gegeben hat -, war unumgänglich.

Nachdem der energische Abt Rudolf III. Reichel 1751 sein Amt angetreten hatte,
setzte er alles daran, die Landsässigkeit Beurons durch die Reichsunmittelbarkeit zu
ersetzen. Nachdem dies jedoch auf dem legalen Weg nicht gelang19, versuchten er, sein
Kanzleidirektor Pizenberger und dessen Helfer, durch Schaffung von neuen „historischen
" Fakten dieses Ziel zu erreichen. Nachdem die karolingische Gründung Beurons
als Grundlage für die beanspruchte Reichsunmittelbarkeit auf dem Papier neu
formuliert worden war, war es notwendig geworden, diese neue Geschichte auch
sichtbar zu machen. Hier setzte die Inszenierung von Geschichte ein. Es galt jetzt, für
die Zeitgenossen nicht nur die bildliche Darstellung des Marienwunders des Peregrin
und die in der Heilsgeschichte verankerte Gründung von Beuron im Tal in den Fresken
der neuen Stiftskirchen oder auf Tafelbildern darzustellen, sondern auch dem
Kloster Altbeuron mit Hilfe der barocken künstlerischen Formen Leben einzuhauchen
. Dies begann damit, dass die von dem Beuroner Dekan Augustin Grueber 1746
oder 1747 abgeschlossene Geschichte des Stifts umgeschrieben wurde. Nicht mehr
mit diesem Geschichtsbild übereinstimmende Passagen wurden getilgt und die neuen
„Fakten" eingearbeitet. Die Bilder der Gründer von Altbeuron, die kaiserlichen
und königlichen Wohltäter wurden in den Medaillons im Hauptschiff und an den
Säulen der Emporen der Stiftskirche präsentiert. Den Höhepunkt der barocken Inszenierung
stellt jedoch der Auftrag an den Tübinger Historiker Prof. Hofmann dar,
der Öffentlichkeit in Form einer Dissertation mit wissenschaftlicher Gründlichkeit
zu vermitteln, dass es sich bei Beuron um ein freies und reichsunmittelbares Stift handele
. Soweit gingen die Pläne des Abts und Pizenbergers auf. Sie scheiterten jedoch an
den in den historischen Methoden ausgebildeten Juristen der Regierung Vorderösterreichs
und des Schwäbischen Kreises, die die Fälschungen sofort erkannten.

Schon die Urteile der Zeitgenossen, die zwischen dem Vorwurf der Fälschung, der
Duldung oder einer Vertuschung schwankten, zeigen, dass es auf den Standpunkt des
Betrachters ankam, um das Beuroner Vorgehen zu bewerten. Die Formulierung der
anzustrebenden neuen verfassungsrechtlichen Stellung des Stifts Beuron, die dafür
erforderliche Umschreibung der Beuroner Geschichte und die Anfertigung der dafür
erforderlichen Texte nahmen Abt Rudolf Reichel, sein Kanzleidirektor Pizenberger
und ein kleiner Kreis von Konventualen vor. Der gesamte Konvent hat sicherlich die

19 Ausführlich bei Schöntag, Erwerb (wie Anm. 2) S. 59 f.
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