Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 257
(PDF, 55 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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Neues Schrifttum

Die Streitpunkte - strategisch am bedeutendsten dürfte die Gefahr herrschaftlicher
Eigenwirtschaft gewesen sein (S. 83, 86, 136) - lassen sich laut Fink im Kern darauf
zurückführen, dass die Bauern die Wechselseitigkeit der Verpflichtungen verletzt
sahen, wodurch „Notdurft und Nahrung" gefährdet gewesen seien (S. 144f., 278). Sie
wiederherzustellen, wurde eine kaiserliche Kommission einberufen, vor der sich die
Böhmenkircher auf einen angeblichen alten Freiheitsbrief beriefen (S. 165), den ihnen
Haug von Rechberg vorenthalte. Die in Schwäbisch Gmünd tagende Kommission
entschied jedoch allein aufgrund der Huldigungen von 1548 und 1574, die keine Freiheitsrechte
erfasst hatten, am 9.5.1581 zugunsten der Herrschaft. Nicht zuletzt wegen
der eingezogenen Herrenäcker wurde das Ergebnis von der Gemeinde rundweg abgelehnt
. Fortan wurden Abgaben verweigert und die Kommission boykottiert. Von
Württemberg und Osterreich vermeintlich unterstützt, konnte auch die militärische
Exekution ab 19.12.1581 unter dem württembergischen Oberpfleger in Heidenheim
den Widerstand zunächst nicht brechen - die Frauen setzten den Ungehorsam fort.
Zermürbt durch das Gefängnis, schworen bis Mai die Männer Urfehde und unterwarfen
sich ihrer Herrschaft und der Kommission. Der in Gmünd am 11.6.1582 verabschiedete
Gemeindevertrag dokumentierte den bäuerlichen Misserfolg, da alle im
16. Jahrhundert durchgesetzten Herrenrechte bestätigt wurden. Haug von Rechberg
musste sich nur dazu verpflichten, auf die „Gleichheit" der Fronbelastung und auf die
bäuerliche Feldarbeit zu achten. Das gemeindliche Ruggericht wurde bestätigt
(S. 218-220).

Obwohl die asymmetrische Beziehung zwischen Rechberg und Böhmenkirch
damit zementiert wurde, spielte sich bis zum Dreißigjährigen Krieg ein neuer Modus
vivendi ein. Die Herrschaft hielt in Weißenstein regelmäßig Amts- und Verhörtage ab,
wo die Gemeinden allein oder durch gemeinsame Ausschüsse vorab diskutierte Suppliken
einreichten. Anstatt die Eigenwirtschaft auszubauen, wandelte Rechberg die
Böhmenkircher Herrenäcker in einen Lehenhof um.

Der Verfasser sieht in der Dorfehrbarkeit (S. 161, 168) die treibenden Kräfte einer
typischen „Gemeinderevolte". In der Frage der Fronbelastung war ihr jedoch die
Gefolgschaft der Seidner sicher. Wirtschaftshistorisch wird man die Revolte nur teilweise
als Ausdruck einer Subsistenzkrise interpretieren dürfen. Zwar gefährdeten
überspannte Fronforderungen die bäuerliche Eigenwirtschaft, strategisch ging es aber
um die Verfügungsgewalt über Ressourcen, die noch nicht ganz ausgeschöpft waren,
für die bäuerliche Oberschicht damit um die profitable Partizipation am Marktgeschehen
(S. 170, 211). Auch politisch deutet Fink die Revolte als Ausdruck einer Partizipationskrise
in einem „paternalen System" (S. 120, 281), wie sie sich aus der frühabsolutistischen
Territorialisierungspolitik (S. 277) fast zwangsläufig ergab.

Insgesamt legt Bertram Fink eine genau gearbeitete Darstellung vor, in der jedoch
Suters analytisches Konzept häufig hinter bloßer Ablaufbeschreibung verschwindet.
Entsprechend findet man im Mittelteil ein sprachliches Amalgam vor, das die Diktion
der Quellen weder direkt zitiert noch konsequent hinter sich lässt (S. 134-229).
Allerdings ist die gründliche Quellenauswertung insgesamt ein großer Vorzug dieser
Dissertation. Dagegen werden neuere Forschungsergebnisse zum bäuerlichen Widerstand
in den klimatisch ungünstigen Randlagen Südwestdeutschlands bestenfalls
ansatzweise zur Kenntnis genommen (siehe etwa Edwin Ernst Weber: Städtische

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