Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 267
(PDF, 55 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2006/0279
Neues Schrifttum

Im ersten Abschnitt mit der Überschrift „Elsas Ausdrucksweisen" beschäftigt sich
die Autorin mit Elsas Art der Kommunikation, die sie als „Zeichen geben" interpretiert
. Zu diesem Zeichensystem gehören Elsas schwer verständliche Sprechweise
ebenso wie ihre Gedichte und beschrifteten Zettel, ihre religiösen Gegenstände oder
ihre Zwiesprache mit den Toten. Sie sind Teil eines ihr eigenen mündlichen, schriftlichen
oder dinghaften Kommunikationscodes, der von ihren Mitmenschen nicht ohne
weiteres entschlüsselt werden konnte und Elsa in deren Augen als „ver-rückt"
erscheinen ließ. Der zweite Abschnitt, „Spurensuche", ist Elsas Gewerbe als Botin
gewidmet. Das „Nachgehen" der von Elsa benutzen Wege und Straßen, der Besuch
bei drei Handwerkern, zu denen Elsa Dinge zum Reparieren brachte, eine Betrachtung
der von ihr transportierten Gegenstände und schließlich ihre Angewohnheit,
Abfall vom Wegrand aufzulesen, zu sammeln und in ihrem Haus zu horten sind Teil
der Spurensuche, auf der sich die Autorin Elsa Saile anzunähern versucht. Im dritten
Abschnitt mit der etwas kryptischen Uberschrift „Zwischen zu Tode lachen und zu
Tode erschrecken" geht es schließlich um die „Aufführung" der Elsa auf der Hechinger
Fasnacht und die Zwangssterilisation im Nationalsozialismus.

In ihrem Buch, das aus ihrer Magisterarbeit am Tübinger Ludwig-Uhland-Institut
für Empirische Kulturwissenschaft hervorgegangen ist, verlässt die Autorin das Paradigma
der biografischen Erzählung, in der sich Lebensgeschichten in einer gleichzeitig
chronologischen und logischen Ordnung abspielen, und in der Leben als die Summe
der Ereignisse einer individuellen Existenz begriffen wird. Im Sinne Pierre Bour-
dieus, der die Konstruktion von „Lebensgeschichten", die „das Leben als ein
Ganzes" und „als kohärente Erzählung einer bedeutungsvollen und gerichteten
Abfolge von Ereignissen konstituieren" als „biographische Illusion" entlarvt hatte
(Pierre Bourdieu: L'illusion biographique, in: Actes de la recherche en sciences sociales
62/63 (1986), S. 69-72), verzichtet sie auf die Erzählung einer linearen, in sich
geschlossenen Lebensgeschichte und setzt stattdessen auf die „Vielschichtigkeit der
Erzählebenen" (R. Stützte). Aus verschiedenen Blickwinkeln und unter Verwendung
unterschiedlicher Stilmittel, jedoch ohne Absolutheitsanspruch nähert sich die Autorin
der Person Elsa Sailes an, deren Leben sie als eine Spur betrachtet, „die abbricht,
Nebenwege einschlägt, sich der Übersichtlichkeit entzieht," und von der sie deshalb
nicht mit Gewissheit sagen könne, „so war es, so ist es gewesen". Sie greift einzelne
Aspekte aus Elsas Leben heraus und fügt diese Fragmente in einer Art Collage unterschiedlicher
Textformen zu einem neuen Konstrukt des Lebens der Elsa Saile zusammen
, wobei sie sich sowohl narrativer als auch analytischer Elemente bedient. Den
größten quantitativen wie inhaltlichen Anteil bilden hierbei die Interviews, die die
Autorin mit Elsa Saile selbst sowie mit Personen aus ihrem Umfeld geführt hat, und
die das Basismaterial für die Magisterarbeit wie für das vorliegende Buch abgeben. Sie
werden ergänzt durch Berichte über eigene Recherchen und Erfahrungen vor Ort,
Beschreibungen der ländlich-handwerklichen Lebenswelt oder Auszügen aus Ortschroniken
und Oberamtsbeschreibungen. Dazwischen finden sich Passagen kulturwissenschaftlicher
Analysen und kulturtheoretischer Reflexionen. Unter den verschiedenen
Textarten sind die Bestandsaufnahmen von Gegenständen aus Elsas Besitz
sicherlich die ungewöhnlichsten. So hat die Autorin den Inhalt von Elsas letztem
Rucksack akribisch in einer mehrere Seiten umfassenden Liste aufgezeichnet, die sich

267


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2006/0279