Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
43(128).2007
Seite: 271
(PDF, 57 MB)
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Unrecht nach Kräften wiedergutmachen

RASSISCH VERFOLGTE

Die zweitstärkste Gruppe unter den Antragstellern waren mit 21% die rassisch
Verfolgten, deren Gros natürlich die Juden ausmachten. Abgesehen von den natürlichen
Personen wurde auch für die ehemaligen jüdischen Gemeinden Wiedergutmachung
begehrt. Hier trat die „Israelitische Kultusvereinigung Württemberg und
Hohenzollern" in Stuttgart im Mai 1951 mit Einzelanträgen für jede Gemeinde an
das Landesamt heran. Später wurden sie in einem Sammelverfahren zusammen ge-
fasst. Im Rahmen der Schadensermittlung wurden nicht nur Fotos der zerstörten
Buchauer Synagoge zu den Akten genommen, sondern auch detaillierte, aus der Erinnerung
der Uberlebenden zusammengestellte Inventare der Synagogen in Baisingen,
Buchau, Buttenhausen, Haigerloch, Hechingen, Horb, Laupheim, Mühringen,
Rexingen, Rottweil und Tübingen. Eine bis ins Einzelne gehende Ermittlung des
Schadens war dennoch nicht möglich, so das man sich im Juni 1959 in einem Vergleich
auf eine Pauschal-Entschädigung von 1,25 Mio. DM einigte26.

Zu den rassisch Verfolgten gehörten auch Sinti und Roma. Allerdings hatten sie es
im Vergleich zu den Juden ungleich schwerer, ihre Ansprüche durchzusetzen und
mehr noch als jene mit Vorurteilen zu kämpfen27. Rudolf R. aus Ravensburg war
bereits 1946 als rassisch Verfolgter durch die zentrale Betreuungstelle in Tübingen
anerkannt worden. Während der Bearbeitung seines Wiedergutmachungsantrags vom
30. November 1950 wurden eventuelle Probleme bereits präjudiziert, wenn es im
behördlichen Schriftverkehr heißt: R. ist Ausländer und Zigeuner. Die Beschaffung
der notwendigen Unterlagen stößt daher auf erhebliche Schwierigkeiten, oder: Sollte
sich die Vermutung bestätigen, dass R. ein typisch asozialer Zigeuner ist, kann mit
einer Wiedergutmachung nicht gerechnet werden. Die „Vermutung" des Ravensburger
Sachbearbeiters hat sich offenbar nicht bestätigt. Am 15. Oktober 1952 wurde R.
für seine sechsjährige KZ-Haft, in die er 1939 als 15jähriger geraten war, mit einem
Anspruch auf 10350 DM entschädigt. Bemerkenswert ist allerdings die Begründung,
dass er im Alter von 15 Jahren noch nicht als arbeitsscheu und asozial gewertet werden
konnte und er deshalb wegen seiner Rasse benachteiligt worden zs£28. Genau dieses
Argumentationsmuster wurde seiner älteren Schwester, die Jahre später einen eigenen
Antrag stellte, neben formalen Mängeln zum Verhängnis. Das Landgericht
Tübingen stellte in seiner Urteilsbegründung fest, dass ihr Antrag auch sachlich nicht
zum Erfolg hätte führen können, weil die Klägerin nicht aus den Verfolgungsgründen
des § 1 BEG, sondern nach der Auskunft des Internationalen Suchdienstes Arolsen
als „arbeitsscheue und asoziale Zigeunerin" verhaftet worden sei29.

26 StA Sigmaringen Wü 33 T 1 Nr. 3593.

27 Vgl. Goschler (wie Anm. 2) S. 126.

28 StA Sigmaringen Wü 33 T 1 Nr. 1783.

29 StA Ebd. Nr. 6981.


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