Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
44(129).2008
Seite: 97
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2008/0101
Der Sigmaringer Regierungspräsident Franz Graf von Brühl (1852 - 1928)

Sauerland nur deshalb, weil die Zeit bis zur fahrplanmäßigen Abfahrt der Züge für die überwiegend
auswärtigen Demonstranten zu knapp war.73

Zwei Tage darauf überbringen drei Abgeordnete Regierungspräsident Graf Brühl eine von der
Versammlung der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten beschlossene Resolution. Darin
wird binnen acht Tagen die Beseitigung aller - während des Ersten Weltkriegs eingestellten -
weiblichen Hilfskräfte zugunsten von Kriegsbeschädigten sowie binnen drei Tagen die von der
gesamten Versammlung einstimmig gewünschte Entfernung des Regierungspräsidenten verlangt
. Brühl verspricht, falls eine Liste der arbeitslosen Kriegsbeschädigten mit näheren Angaben
über ihre frühere Tätigkeit und Qualifikation eingereicht werde, nach Möglichkeit für ihre
Beschäftigung zu sorgen. Die Forderung nach einer Entfernung des Regierungspräsidenten
wird ohne weiteren Kommentar lediglich zur Kenntnis genommen. Die von den Abgeordneten
verlangte Veröffentlichung der Resolution in der Lokalzeitung wird abgeschlagen und ihnen
statt dessen anheim gestellt, selbst für die Publizierung zu sorgen.74 Im Rückblick erscheinen
diese Vorgänge Brühl als merkwürdige Umsturz-Blühten inmitten der Umwälzungen (Revolution
) im Nov. 18.7S Das Verhalten Brühls während des tumulthaften Sigmaringer Demonstrationszugs
erfährt in der Folge offenbar eine gewisse Verklärung: Das „Katholische
Sonntagsblatt" jedenfalls weiß im Nachruf zum Tode Brühls 1928 zu rühmen, dass es der damalige
Regierungspräsident während der Revolution 1919 bei seinem persönlichen Ansehen
ruhig wagen (konnte), unter die vor dem Regierungspalais angesammelte bewaffnete Masse,
die sogar ein Maschinengewehr mit sich führte, hinauszutreten und sie zur Ruhe und Besonnenheit
zu mahnen.76

Regierungspräsident Graf Brühl findet sich in den gewandelten politischen Verhältnissen nach
dem Sturz der Monarchie und der Einführung der Republik offenkundig nicht mehr zurecht
und beantragt im April 1919 seine Versetzung in den Ruhestand.77 Nach den vier Kriegsjahren
und den Umwälzungen danach habe er, so seine spätere Begründung für den Rückzug,
eine starke Verminderung seiner früheren Rüstigkeit gefühlt78 Hinzu kommt ein persönlicher
Schicksalsschlag durch den Kriegstod des ältesten Sohnes Friedrich, der mit 19 Jahren als junger
Leutnant am 9. April 1918 in der deutschen Frühjahrsoffensive an der Westfront bei La Folie
Ferne in der Nähe von Montdidiers fällt.79 Wenn die „Hohenzollerische Volkszeitung" den Umgang
der Familie Brühl mit diesem Verlust als edles Beispiel von standhaftem Gottvertrauen und
tiefgläubiger Gottergebenheit verklärt, so dürfte dies vorrangig die für Brühl und seine Angehörigen
selbstverständliche äußere Haltung widerspiegeln. Zeitgleich mit dem Pensionierungsgesuch
erwirbt der im 67. Lebensjahr stehende Brühl im badischen Freiburg im Breisgau
ein Haus in der Goethestraße, in das die Familie nach der vom Innenminister genehmigten
Entlassung aus dem preußischen Staatsdienst zum 1. Oktober 1919 übersiedelt.80 Mit einem

73 Ebenda.

74 Sauerland (ebenda) S. 7.

75 Brühl, Meine Tätigkeit in Hohenzollern (wie Anm. 19).

76 Katholisches Sonntagsblatt v. 22. 1. 1928 (zitiert nach Abschrift in der Materialsammlung von Franz
Keller zu Franz Graf Brühl, Nachlass Keller, wie Anm. 39).

77 Gesuch von Regierungspräsident Graf Brühl v. 25. 4. 1919 (Personalakte Berlin, wie Anm. 9).

78 Brühl, Meine Tätigkeit in Hohenzollern (wie Anm. 19).

79 Sterbebild von Friedrich Franz Graf von Brühl v. 1918 (Hohenzollerische Heimatbücherei Hechingen U.b
38); Gotha 1930 (wie Anm. 5), S. 125.

80 Verfügung des preußischen Innenministers v. 18. 5. 1919 (Personalakte Berlin, wie Anm. 9); Brühl,
Meine Tätigkeit in Hohenzollern (wie Anm. 19).

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