Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
44(129).2008
Seite: 115
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2008/0119
Skandal im Kaiserstammland: Der Hechinger Stadtkassendefekt 1907.

Bürgermeister Mayer reagierte sofort. Er rief seine Gemeinderäte noch am selben Tag zur Krisensitzung
zusammen. Die Runde ordnete in der Sitzung am 14. Juni 1907 die Geschäfte im
Rathaus neu. Die Führung der Stadtrechnung übernahm vorläufig der Beigeordnete Wilhelm
Zoll, die Gasrechnung der Stadtverordnete Reinhard Strobel und das Eichamt Stadtrat Josef
Zöhrlaut. Hermann Bumüller wurde probeweise für sechs Wochen bei der Stadtkasse angestellt
und namentlich mit der Stellung der rückständigen Rechnungen beauftragt. Am 18. Juni trat
Bumüller seine neue Stelle an44.

Der Kassensturz machte eins schnell klar: Wilhelm Klaiber hatte Steuerzahlungen nicht immer
ordnungsgemäß verbucht und zu einem guten Teil unterschlagen, ebenso Koks- und Teergeld,
Wasser- und Gaszins. Auf der anderen Seite hatte er im Gas- und Wasserwerk Verbrauchsgebühren
, Installationsrechnungen und andere Forderungen nicht eingezogen und verfallen lassen
, und immer mal wieder auch mit privatem Geld ausgeholfen. So hielt's der Defektenbe-
schluss eineinhalb Jahre später fest45. In der Stadtkasse fanden sich Schuldscheine von Darlehensnehmern
, denen Klaiber privat Geld geliehen hatte. Sie wurden der Witwe Luise Klaiber
ausgehändigt46. In einem anderen Umschlag lagen Rechnungen des Gaswerks aus den Jahren
seit 1905, die Wilhelm Klaiber nie eingezogen hatte47.

Die Bücher waren nicht auf dem laufenden, das Journal für das laufende Geschäftsjahr lag
noch gar nicht vor. Dazu kamen Fahrlässigkeiten in der Buchführung: Doppelbuchungen, nachgewiesene
Auszahlungen, die nicht gebucht waren, fehlerhafte Überträge. Nach der Hohen-
zollerischen Gemeindeordnung hätte Wilhelm Klaiber jedes Jahr spätestens am 1. Juli seine
Rechnungen vorlegen müssen, aber die Rechnung 1903/04 stellte er erst am 18. November
1904 fertig. Obwohl er unter die Rechnung 1904/05 sogar mit mehr als einjähriger Verspätung
am 16. Mai 1906 einen Schlussstrich zog, musste er später Nachträge vornehmen. Konrad
Mayer gab dafür einer Zwangslage die Schuld. Dem Regierungspräsidenten erklärte er am 30.
September 1907, Klaiber habe damals die Zeit nicht gehabt und das Regierungspräsidium den
Feststellungsbeschluss der Stadtverordneten bereits angemahnt. Mayer räumte ein, daß das
eingeschlagene Verfahren nicht korrekt war. Er wünschte sich aber, den Fall in milderem Lichte
zu sehen, weil Klaiber seine Arbeit bisher tadellos erledigt, allerseits großes Vertrauen genossen
habe und Unordnungen bei den Revisionen nie bemerkt worden seien.
Sorgen machte dem Stadtrechner allem Anschein nach in erster Linie das Gaswerk. Als die
Sigmaringer Kassenprüfer am 12. August 1905 in seinem Büro standen, gab Klaiber jedenfalls
den Kauf durch die Stadt als Grund an, warum die Rechnung 1904/05 bislang nicht abgeschlossen
war48. Die Geschäfte des Gaswerks dürften ihm tatsächlich eine erhebliche zusätzliche
Arbeitsbelastung gebracht haben. Immerhin machte der Energielieferant damals bereits
einen Jahresumsatz von knapp 200.000 Mark - ungefähr ein Drittel des Geldes, das durch die

44 StadtAH, Bände A 34, Beschlüsse des Gemeinderats, 14.06.1907. Vgl. Z Nr. 136/18.06.1907. Hz. Bl. Nr.
137/19.06.1907. Bumüller, gebürtiger Hechinger, Vizefeldwebel, stand vor seiner Tätigkeit in Gam-
mertingen im Dienst der Marinestationskasse in Kiel.

45 StadtAH, A 200 Reg.-Nr. 1240, Stadtpfleger Klaiber 1909/10, Defektenbeschluss, S. 7f.

46 StadtAH, A 200 Reg.-Nr. 1240, Stadtpfleger Klaiber 1909/10, Schreiben Justizrat Löffler 03.11.1909.

47 StAS, Ho 235 T 7-8 Nr. 728, Defektensache des verstorbenen Stadtrechners Klaiber in Hechingen,
Schreiben Bürgermeister Mayer 18.07.1907.

48 StAS, Ho 235 T 7-8 Nr. 728, Defektensache des verstorbenen Stadtrechners Klaiber in Hechingen.
Dem Erwerb durch die Stadt folgte ein Rechtsstreit mit Bilfinger, über den offenbar weiter nichts bekannt
ist. Die Gasrechnung wurde anfangs innerhalb und ab dem 01.04.1906 getrennt von der Gemeinderechnung
geführt.

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