Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
44(129).2008
Seite: 153
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2008/0157
Skandal im Kaiserstammland: Der Hechinger Stadtkassendefekt 1907.

Dann erhielt Ludwig Weil noch sein Fett, einer der beiden Stadträte, die Mayer im Januar 1908
beim Oberamtmann verpfiffen hatten. Früher habe Stadtrat Josef Bauer der Stadtkasse im
Frühsommer immer wieder aus der Finanznot geholfen. Im Sommer 1906 habe Mayer den
Gemeinderat und insbesondere Bankier Ludwig Weil um Wertpapiere gebeten zum Erhalt
eines Darlehens. Ergebnislos, deutete Löffler an. Der Bankier habe die Stadt hängen lassen.
Löffler war richtig in Fahrt. Bei Luise Klaiber habe die Stadt weniger geholt, als möglich gewesen
wäre, machte er weiter. Sie habe durchaus nicht ihr ganzes Vermögen der Stadt gegeben
. Der Wert des Hauses aber ist höher als die Vergleichssumme, behauptete Löffler. Süffisant
deutete er an, dass sein Mandant bei einer Zwangsversteigerung vielleicht sogar mehr geboten
hätte. Luise Klaiber habe außer Haus und Garten auch noch anderes Vermögen. Löffler
nannte die Schuldscheine auf Wilhelm Klaibers Namen, die in der Stadtkasse gefunden und
der Witwe ausgehändigt worden waren. Diese aberzog die Schuldscheine ein. Sie muss daher
noch bare Gelder hinter sich haben, war dem Justizrat klar. Dazu kämen mit Sicherheit Mobiliarvermögen
- und vor allem die Erbschaft. Nach dem Tod ihrer Mutter Magdalena Egler - das
war gerade eine Woche vor dem Brief - habe Luise Klaiber einen testamentarisch festgelegten
Pflichtteilanspruch. Der Nachlass von Ludwig und Magdalena Egler mache aber gut und gerne
60.000 bis 70.000 Mark aus, behaupteten Mayer und Löffler. Luise Klaiber sei also durchaus
in der Lage, die ganze Restforderung zu bezahlen.

Josef Senn hatte sicher zu schlucken, als er die Denkschrift von Guido Löffler las. Er brauchte
noch einmal fast zwei Monate für seine Antwort. Am 27. Dezember 1909 legte er sie dem
Landgericht vor, diesmal 44 handbeschriebene Seiten. Senn bestritt die Klagebeantwortungsschrift
Löfflers minutiös und beharrte auf der Forderung der Stadt. Aber beide Seiten waren
auf Ausgleich bedacht. Wirklich ausfechten wollte den Streit keiner. Die Justizräte hielten am
11. Januar 1910 mündliche Rücksprache und brachten einen Vergleich zustande. Sie trafen sich
einigermaßen in der Mitte. Konrad Mayer sollte 2500 Mark Abfindung zahlen, und die Stadt
würde im Gegenzug auf alle weiteren Ansprüche verzichten.

Löffler machte den Deal mit seinem Mandanten sofort fest. Schon am 12. Januar teilte er Senn
mit, dass Konrad Mayer dem Vergleich zustimme - um Weiterungen zu vermeiden. Die Stadtverordneten
gaben ihre Genehmigung am Tag danach. Am 18. Januar 1910 protokollierte das
Landgericht das Abkommen in öffentlicher Sitzung. Landgerichtsdirektor Gustav Russell als
Vorsitzender, Landgerichtsrat Heinrich von Hatzfeld, Landgerichtsrat Wilhelm Keßler und Landgerichtssekretär
Ritter bildeten das Gericht, ihnen gegenüber saßen Senn und Löffler. Die beiden
Bürgermeister waren nicht dabei. Die Absprache aus der Vorwoche wurde in Worte
gesetzt: Der Beklagte zahlt an die Klägerin eine Abfindungssumme von 2500 M - Zweitausend
fünfhundert - Mark gegen Verzicht auf alle weiteren Ansprüche aus dem in Rede stehenden
Sach- und Streitverhältnis seitens der Klägerin. Die Gerichtskosten werden geteilt, die außergerichtlichen
Kosten gegen einander aufgehoben, hieß der Vergleich175.
Bürgermeister Anton Häußler und die Stadtverordneten nannten ihn für die Stadt vorteilhaft.
Mit diesem Kommentar versah Häußler am 22. Januar den Brief, mit dem er den Regierungspräsidenten
vom Stand der Dinge unterrichtete. Hiermit dürfte die Defektensache Klaiber ihre
endgültige Erledigung gefunden haben, atmete er erleichtert auf176.

175 StadtAH, A 200, Reg.-Nr. 1240, 5. Stadtpfleger Klaiber 1909/10. StadtAH, Bände A 63, Beschlüsse der
Stadtverordnetenversammlung, 13.01.1910.

176 StAS, Ho 235 T 7-8 Nr. 728, Defektensache des verstorbenen Stadtrechners Klaiber in Hechingen.
Geschlossen wurde die Defektenakte in Sigmaringen erst im Jahr darauf. Am 03.10.1911 bat die Königliche
Regierungshauptkasse den Regierungspräsidenten um Anweisung, was sie mit Klaibers Kautionsurkunde
vom 13.11.1892 über die Eintragung der Hypothek von 4000 Mark auf das Wohnhaus
im Grundbuch tun solle, die bei ihr hinterlegt war. Im November 1911 wurde die Urkunde Luise Klaiber
zurückgegeben.

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