Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
44(129).2008
Seite: 156
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2008/0160
Rolf Vogt

honorige Hechingen auf. Zehn Monate nach dem Ende des juristischen Streits mit Konrad
Mayer packte der Schlachthausaufseher die Koffer und verschwand. In seiner Kasse fehlten fast
1360 Mark.

Anders als der Stadtkassenskandal war die Schlachthausaffaire ein gefundenes Fressen für die
Hohenzollerischen Blätter, als sie bekannt wurde. Es stimmt mal wieder eine städtische Kasse
nicht, die Schlachthauskasse nämlich, und der Verwalter ist nicht aufzufinden, meldete die
Zeitung Mitte Oktober 1910 - fast lakonisch und bekannte einen Tag später, dass in der Bürgerschaft
[...] angesichts dieses neuen Vorkommnisses recht gedrückte Stimmung herrsche185.
Johlitz, früher berittener Gendarm, seit April 1901 bei der Stadt beschäftigt und seit November
1902 Schlachthausaufseher, hatte das Geld im August und September 1910 mitgehen lassen
. Am 22. Oktober erwirkte der Königliche Staatsanwalt in Hechingen wegen der
Unterschlagung amtlicher Gelder einen Haftbefehl gegen ihn. Zwei Tage später stand sein
Steckbrief in den Zeitungen. Gesucht wurde ein mittelgroßer, untersetzter 56-jähriger Mann
mit Schnurrbart und weißem Haar. Er hinkt auf dem rechten Fuß etwas infolge früheren Knochenbruchs
, hieß es noch186.

Johlitz hatte auf der Flucht kein Glück. Er kam bis Brüssel, wurde dort aber noch im Oktober
festgenommen. Auch den Fahndungserfolg wollte die Staatsanwaltschaft mit den Hechingern
teilen. Steckbriefs-Erledigung, war die Zeitungsanzeige überschrieben. Am 31. Oktober eröffnete
das Königliche Amtsgericht auf Antrag der Familie des Schlachthausaufsehers das Konkursverfahren
über sein Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit. Zum Konkursverwalter wurde
Kaufmann Friedrich Kramer berufen, der Termin für die Prüfung der Forderungen auf den 29.
November angesetzt187.

Die Zeitungsleser waren jetzt hautnah dabei. Johlitz werde nach Abschluss des Auslieferungsverfahrens
voraussichtlich in der nächsten Woche nach Hechingen transportiert, meldete Friedrich
Wallishauser nach der Festnahme optimistisch. Tatsächlich zog sich die Auslieferung aber
noch einen Monat hin. Am 9. Dezember war es soweit. Schlachthausaufseher Johlitz ist gestern
abend mit dem Zug 8.44 Uhr aus Brüssel hierhergebracht und ins hiesige Gefängnis eingeliefert
worden, stand am nächsten Tag in der Zeitung188.

Nachdem das Gericht die Forderungen geprüft hatte, setzte Konkursverwalter Friedrich Kramer
die Versteigerung der Konkursmasse für den 5. Dezember an. In seiner Anzeige wurden
die Gegenstände, die er absetzen wollte, genau aufgeführt. Kurz vor Weihnachten gab er das
Ergebnis bekannt. Danach gab es in der Schlußverteilung ein Vermögen von 586,20 Mark und
Schulden von 2196,53 Mark189.

Die Stadt beantragte das Defektenverfahren vor dem Bezirksausschuss in Sigmaringen. Der
lehnte den Hechinger Antrag jedoch am 4. März 1911 aus formalen Gründen ab. Johlitz hatte
keine Anstellungsurkunde, hieß es in der Begründung. Damit lägen die Voraussetzungen für
einen Defektenbeschluss nicht vor. Den Defekt berechnete der Bezirksausschuss trotzdem
genau: 1356,88 Mark habe Johlitz unterschlagen, 347,36 Mark seien aus dem Vermögenskonkurs
an die Stadt geflossen. Unter dem Strich blieb ein Defekt von 1009,52 Mark190.

185 Hz. Bl. Nr. 238/21.10.1910, 239/22.10.1910.

186 Hz. Bl. Nr. 240/24.10.1910.

187 Hz. Bl. Nr. 247/02.11.1910.

188 Hz. Bl. Nr. 250/05.11.1910, 279/10.12.1910.

189 Hz. Bl. Nr. 271/30.11.1910, 289/22.12.1910.

190 StAS, Ho 247 T 1 Nr. 72, Erlaß von Defektenbeschlüssen bei der Stadtkasse. StadAH A 200/1870,
Schlachthaus 1883-1931. Spezial-Akten betreffend Schlachthausaufseher Jolitz [sie] 1909/11. In der
Sitzung der Stadtverordneten am 11.05.1911 nannte Bürgermeister Anton Häußler einen Verlust von
899 Mark, den die Stadtkasse zu tragen habe, s. Hz. Bl. Nr. 107/12.05.1911.

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