Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
44(129).2008
Seite: 161
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2008/0165
Skandal im Kaiserstammland: Der Hechinger Stadtkassendefekt 1907.

Konrad Mayer kegelte sich ganz allein aus dem Spiel. In seiner Hinhaltetaktik nutzte er jeden
Trick bis hin zur Lüge. Als herauskann, dass im Protokollbuch der Stadtverordnetensitzungen
die Rechnungsbeschlüsse offensichtlich nachträglich geändert waren, geriet er sogar in den
Verdacht der Urkundenfälschung. Dass er gute Bekannte protegierte und begünstigte, machte
der Fall Rathgeber deutlich. Aber vor allem war er nicht hellhörig genug, zu erkennen, was Carl
Sauerland von ihm wollte. Als er die Übernahme des Gegenbuchs verweigerte, lief Konrad
Mayer eigensinnig in sein Verderben.

Als Gegner stand ihm in Hechinigen vor allem Karl Schoenfeld gegenüber. Der Stichwortlieferant
Carl Sauerlands wurde zu einer entscheidenden Figur des Spiels. Der Oberamtmann hielt
nicht viel von der Arbeit, die im Hechinger Rathaus geleistet wurde, und ließ das Carl Sauerland
wissen. Schoenfeld steckte gleichermaßen hinter Konrad Mayers Problemen im Januar
1908 wie hinter Hermann Bumüllers Sorgen im Sommer. Bei Konrad Mayer erinnerte sich
Schoenfeld plötzlich einer Bürgschaft für Georg Rathgeber aus dem Vorjahr, und gegen Hermann
Bumüller führte er privates Wissen als Steuerzahler ins Feld. Um zu diskreditieren, nutzte
er Kenntnisse, die nicht aktenkundig waren.

Umso mehr fällt deshalb auf, dass sowohl Schoenfeld in Hechingen als auch Sauerland in Sigmaringen
schon früh Hinweise auf Georg Rathgebers Schwierigkeiten hatten und sich trotzdem
nicht aufgerufen fühlten zu handeln. Hermann Bumüller wandte sich bereits Ende 1907
vertraulich an den Regierungspräsidenten. Vielleicht tat er das mündlich, denn ein Brief liegt
nicht in der Akte. Carl Sauerland trug dem Oberamtmann am 13. Dezember aber auf, dem
Stadtrechner zu eröffnen, dass seine Kaution für Nachlässigkeiten des Stellvertreters nicht haftet
. Schoenfeld erledigte den Auftrag durch mündl[iche] Aufklärung™. Beide wussten also,
dass sich Bumüller Sorgen wegen Georg Rathgeber machte. Aber weiter dachten sie nicht -
oder wollten sie nicht denken. Das wirft einen Schatten auf ihre Umsicht und ihre Korrektheit.
Carl Sauerlands Zorn auf Hermann Bumüller und die Forderung nach Probezeitverlängerung
erscheint genauso unverständlich. Bumüller leistete den größten Anteil an der Aufarbeitung
der Rückstände und konnte im Sommer 1908 begründet erklären, dass die Gemeindesteuer
so zügig eingezogen wurde, wie es die Beschlusslage der Stadtverordneten zuließ. Karl
Schoenfeld musste diesen Sachverhalt einräumen - dass er das nur halbherzig tat, verdunkelt
sein Bild ein weiteres Mal. Er und Sauerland suchten und fanden in Hermann Bumüller den
Sündenbock, als sich abzeichnete, dass zur Übernahme politischer Verantwortung in Hechingen
niemand bereit war. Sinnigerweise konnte sich der Regierungsrat in Sigmaringen den
Namen des Stadtrechners während des gesamten Defektenverfahrens nicht merken. Er nannte
ihn immer Bumiller.

Fragen hinterlässt auch das Verfahren vor dem Bezirksausschuss. Seine personelle Zusammensetzung
war keine Garantie für Unparteilichkeit. Mit Regierungspräsident Franz Graf von
Brühl und Regierungsrat Carl Sauerland dominierten zwei Beamte das Verwaltungsgerichtsverfahren
, die bereits die Vorbereitung der Klage und die Schadensbehebung im Rathaus entscheidend
vorangetrieben hatten. Die Richter waren - wenigstens indirekt - auch die Kläger.
Die durch den Beschluss in die Rolle von Beklagten versetzten Luise Klaiber und Konrad Mayer
wurden nicht einmal gehört. Die Frage der Befangenheit - ein in der Rechtspraxis damals bekanntes
Verfahrenshindernis205 - stellte sich dem Bezirksausschuss in einem Fall explizit. Er
setzte sich nonchalant über die Frage hinweg. Vermutlich würde heutige Rechtsauffassung

StAS, Ho 235 T 7-8 Nr. 728, Defektensache des verstorbenen Stadtrechners Klaiber in Hechingen.
Ein Stadtverordneter beispielsweise war nach der Hohenzollerischen Gemeindeordnung befangen,
wenn sein persönliches Interesse mit dem der Gemeinde im Widerspruch stand (§78).

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