Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
44(129).2008
Seite: 163
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2008/0167
Skandal im Kaiserstammland: Der Hechinger Stadtkassendefekt 1907.

ler gewünschte Gehaltsaufbesserung für die städtischen Beamten diskutierten, kamen die
Skandale der letzten Jahre wieder hoch. Neben anderen stellte sich Textilfabrikant Carl Grotz
quer: Und dann meine ich, so sagte er, sollte man nach all den verschiedenen Sachen, die auf
dem Rathause vorgekommen sind, mit Gehaltsaufbesserungen vorsichtig sein208.
Aber mehr und mehr geriet die Geschichte in Vergessenheit. Allein Walter Sauter hat sie überliefert
- nie ganz, aber wiederholt in Andeutungen. Als Konrad Mayer 1935 hochgeachtet
starb, schrieben die Hohenzollerischen Blätter: „Mit dem letzten der Männer, die vor der Jahrhundertwende
die Geschicke der Stadt lenkten, werden wir ein Stück Geschichte der Stadt mit
ins Grab legen." Sauter nannte beiläufig die ,,üble[n] Unregelmäßigkeiten in der Stadtkasse",
die 1907 das „gute Einvernehmen zwischen Bürgermeister u[nd] Bürgerschaft [...] jäh gestört"
und zum Rücktritt geführt hätten. Das Defektenverfahren hielt Sauter für „ein bemerkenswertes
Beispiel der Duplizität der Ereignisse" zu den Vorgängen 1891/1892, als Stadtschultheiß
Carl Baur zurücktreten musste. Im Nachruf des zentrumsnahen Zoller findet sich kein
Hinweis auf den Skandal. Mayer sei 1907 „in den Ruhestand getreten", heißt es dort lapidar
in alter Treue209.

Offen als „Hechinger Stadtkassenskandal" bezeichnete Sauter - ohne weitere Beschreibung -
die Vorgänge, als Stadtrechner Hermann Bumüller 1943 sein 50. Dienstjubiläum feierte210, und
auch im Nachruf auf Anton Häußler 1954 erinnerte er an die ,,besondere[n] Gründe zu der
Wahl" 1908 und an die Parallelen zum Rücktritt Carl Baurs 1891: „Zweimal waren umfangreiche
Unregelmäßigkeiten in der Führung der Hechinger Stadtkasse aufgedeckt worden und
jedesmal war der Rücktritt der jeweils amtierenden Bürgermeister die damals selbstverständliche
Konsequenz, obwohl beides ehrenwerte Männer waren und ihnen nur der Vorwurf mangelnder
Dienstaufsicht gemacht wurde"211. Sauter kannte die Hintergründe nicht, deshalb
konnte er Mayers Rücktritt als Konsequenz aufrichtigen Handelns beurteilen. Seinem privaten
Zeitungsindex fügte er die Information vom Tod Wilhelm Klaibers hinzu, die sonst anscheinend
nirgendwo verbürgt ist. „Von den wahren Ursachen seines TodesU Unterschlagungen,
und den Umständen seines Todes, er hatte sich vergiftet, verlautete zunächst noch nichts", notierte
sich Sauter212. Sein Wissen dürfte er aus dem Stadtgespräch bezogen haben. Mit ihm
starb die Erinnerung 1970.

Heute ist der Stadtkassenskandal von 1907 ein vergessenes Stück Hechinger Stadtgeschichte.
Schon Heinrich Fassbender, Zeitgenosse Sauters, aber erst nach dem Ersten Weltkrieg nach
Hechingen gekommen, hat ihn nicht mehr gekannt, als er in den 1950-er Jahren die Hechinger
Kommunalverfassungsgeschichte beschrieb. Die Neuausgabe der Hechinger Stadtchronik
von 1980 - eine Fortschreibung der Ehrenberg-Ausgabe um die fraglichen Jahre - weiß genauso
wenig davon. Dort finden sich zwar knappe Bemerkungen über den Tod von Stadtrechner
Wilhelm Klaiber und den Dienstantritt von Hermann Bumüller 1907, über den Rücktritt
von Konrad Mayer im Jahr darauf und über undatierte Unregelmäßigkeiten in der Stadtkasse,
aber der Zusammenhang fehlt213. Die Ereignisse sind auseinander gerissen. Der Stadtkassenskandal
ist aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt.

208 Hz. Bl. Nr. 107/12.05.1911.

209 Hz. Bl. Nr. 59/11.03.1935. Z Nr. ?/11.03.1935 (Der Zoller-Jahrgang 1935 ist nur lückenhaft erhalten.
Der Nachruf findet sich aber als Ausschnitt in HHB Ub 99). Personalakten Mayers, die im Zusammenhang
mit seinem Tod entstanden sind, lagern in: StadtAH, Akten A 200, Reg.-Nr. 1298, Personalakten
M - P.

210 Hz. Bl. Nr. 239/12.10.1943.

211 HZ Nr. 130/08.06.1954.

212 Walter Sauter: Zeitungs-Index (wie Anm. 5) S. 1657.

213 Heinrich Fassbender: Ergebnisse der Nachforschungen (wie Anm. 33) S. 14, 26. Chronik 1980 (wie
Anm. 2) S. 334, 336, 337.

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