Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
44(129).2008
Seite: 302
(PDF, 59 MB)
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material. Hier scheut die französische Seite nicht vor verbaler Konfrontation zurück, nennt
etwa leitende Beamte im Landwirtschaftsministerium bündig „Versager" (22. Januar 1946)
und zeigt äußerste Härte. Bei der geplanten Abschlachtung von Mutterschweinen wird den
deutschen Vertretern gar einzureden versucht, Schweine seien - ganz anders als Kühe - gar
keine Nutztiere, da sie ja auch den knappen Kartoffelvorrat dezimierten. Deutlich wird auch,
dass die Ernährungsfrage ab Herbst 1948 sehr an Brisanz verliert. Höchst illustrativ zeigt sich
auch die faktische Verschleppungstaktik der französischen Seite. Bereits am 11. Mai 1949 wird
eine Teilfreigabe der Chirurgischen Universitätsklinik in Tübingen angekündigt; als das Land
Württemberg-Hohenzollern aufhört zu bestehen, ist immer noch keine definitive Lösung gefunden
. Bei solchen Beispielen erscheint es auch denkbar, dass die Tübinger Militärregierung
Angebote machen will, um ihren guten Willen zu zeigen, dass sie aber doch nicht die Kompetenz
besitzt, diese gegenüber anderen französischen Dienststellen dann auch wirklich durchzusetzen
. Umgekehrt ist es aber auch nicht so, dass die deutsche Seite schiere Redlichkeit
repräsentiert. Gebhard Müller will etwa seinen französischen Gesprächspartnern einreden,
eine „Finanzkatastrophe" komme unweigerlich auf das Land Württemberg-Hohenzollern zu,
die könne „im äußersten Falle noch zwei Jahre hinausgeschoben werden" (26. September
1950). Das Land sei einfach nicht lebensfähig. Die Fakten bei der Ländervereinigung sind nachweislich
ganz andere - nachzulesen bei Stefan Zauner. In einem anderen Punkt ist französische
Besatzungspolitik so, wie man es erwartet: voller Pathos und Bereitschaft zur theatralischen Inszenierung
. Ein Beispiel: die Rückgabe der württembergischen Kronjuwelen am 6. Februar
1948, protokollarisch sorgfältig geplant. Eines der wichtigsten Themen dieser Gespräche sind
die Grenzziehungen im Südwesten. Hier zeigen sich alle Merkmale französischer Besatzungspolitik
: ihre Widersprüchlichkeit, ihre Planlosigkeit, ihre Bereitschaft, sich Illusionen hinzugeben,
ihr hinhaltender Widerstand gegen deutsche Planung. Geradezu groteske Widersprüchlichkeit
ist es, wenn Gouverneur Widmer von der Regierung Carlo Schmid verlangt, sie solle einen
möglichst hohen Grad von Einheitlichkeit zwischen Nordwürttemberg und Südwürttemberg
herstellen; gleichzeitig wird sie aufgefordert, ja keine Abhängigkeiten vom amerikanisch besetzten
Teil aufkommen zu lassen; außerdem solle Schmid seine Arbeitskraft ungeteilt Württemberg
-Hohenzollern zuwenden (20. November 1945). Planlosigkeit dürfte es sein, wenn
Widmer bei der ersten Besprechung zum Thema Südweststaat verkündet, er sehe hier keinerlei
Schwierigkeiten (8. September 1948). Schon kurze Zeit später ändert sich diese Generallinie
völlig zugunsten der Wiederherstellung der alten Länder. Widmer befürchtet später
immer wieder einen Zusammenschluss von Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern
, so dass (Süd-)Baden allein übrig bliebe, das ja gar nicht lebensfähig sei. Gebhard Müller
weist ihn bei einer solchen Gelegenheit umgehend kühl darauf hin, die französische
Besatzungsmacht habe ja selbst dieses Land geschaffen. Das Protokoll fährt fort: „Gouverneur
Widmer geht daraufhin unmittelbar auf ein anderes Thema über." (26. September 1950).
Mehr als ein Dutzend Mal wird dieses Thema besprochen. Es ist offensichtlich, dass die Südweststaat
-Regelung für die französische Besatzungspolitik ein steter Stein des Anstoßes ist,
bei dem sie die Hoffnung auf eine Lösung im französischen Sinne (Wiederherstellung der alten
Länder) in immer neuen Anläufen einfach nicht aufgeben will.

Manches ist dagegen unerwartet unterrepräsentiert. Bei der Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung
betont Rainer Hudemann ein ehrgeiziges Programm der französischen Besatzungsmacht
. Sie ist, wie Hudemann betont, in Württemberg-Hohenzollern im Hinblick auf
den erwarteten Zusammenschluss Württembergs weitaus bescheidener. In den Gouverneursbesprechungen
in Tübingen ist selbst dieser Rest nicht zu erkennen. Erst recht verwunderlich
ist das Fehlen einer ambitionierten Kulturpolitik, die in der Literatur so betont wird. Daneben

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