Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
46(131).2010
Seite: 18
(PDF, 40 MB)
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Edwin Ernst Weber

5. AUSGRENZUNG, AUSPLÜNDERUNG UND VERTREIBUNG

Das eher unauffällige, von einer weitreichenden Integration in die Sigmaringer Kleinstadt
-Gesellschaft bestimmte Leben der Familie Frank ändert sich mit dem Machtantritt
der Nationalsozialisten Ende Januar 1933 mit rasanter Schnelligkeit von Grund
auf. Ein hasserfüllter Antisemitismus, der Juden für alle Übel der Welt verantwortlich
macht, wird jetzt zur Staatsdoktrin und zur allenthalben verbreiteten öffentlichen
Wahrheit. Die Bedrohung erreicht alsbald auch die Provinz, etwa in Gestalt eines Vortrags
zur „Judenfrage", den der Volksschullehrer und SA-Reservetrupp-Führer Johann
Hinger Ende 1933 bei einem Sprechabend der NSDAP-Ortsgruppe Sigmaringendorf
im Gasthaus „Linde" hält und über den sodann die örtliche „Hohenzollerische Volkszeitung
" berichtet: Der Jude nenne keine Regierung und kein Land sein eigen, sei überall
und nirgends zu finden und verstehe es, jede Situation zu seinem Nutzen auszubeuten
. Dem Zeitungsbericht zufolge weist Hinger nach, welch unheilvolle Einflüsse der
Jude in der Politik, Kultur und Wissenschaft und nicht zuletzt bei unserer fugend durch
Schmutzliteratur, Kinos usw. ausgeübt hat und noch ausübt. In Deutschland sei der die
Sitten verderbende Einfluss bis zur nationalsozialistischen Revolution geradezu katastrophal
gewesen. Während der deutschstämmige Teil des Volkes seine ganze Kraft in
parteipolitischem Hader verpufft habe, hätten die jüdischen Elemente nahezu die gesamte
Staatsgewalt an sich gerissen und in brutalster Weise missbraucht zur Schwächung
des Christenvolkes und zur Erstarkung der jüdischen Rasse. Die Mitschuld der
einflussreichen Juden an all den völkermörderischen Katastrophen der letzten Jahrzehnte
sei erwiesen. Unser großer Führer Adolf Hitler habe diesen Feind schon längst
erkannt und ihm den unerbittlichen Kampf angesagt.81 Sollte Lisa Frank von dieser Ti-
rade Kenntnis erhalten haben, so dürfte die Tatsache, dass Rudolf Hinger, der Sohn des
Redners, ihr langjähriger Klassenkamerad am Staatlichen Gymnasium in Sigmaringen
war, für zusätzliche Irritationen gesorgt haben.

Damit nicht genug. Im „Stürmer-Kästle", das zum öffentlichen Aushang des antisemitischen
Hetzblatts von Julius Streicher „Der Stürmer" nach Zeitzeugen-Erinnerungen
in der Schwabstraße 10 am Standort des heutigen Tchibo-Ladens angebracht war,82
war 1934 vermutlich auch in Sigmaringen eine infame Hasstirade gegen Leopold Rieser
, den Bruder von Emma Frank, zu lesen. Der Augsburger Rechtsanwalt, bis 1933 ein
gesuchter Strafverteidiger weit über die Stadt Augsburg hinaus, wurde wegen einer Liebesbeziehung
des Junggesellen zu einer „arischen" Witwe aus Buchloe vom „Stürmer"
giftig und hemmungslos angegriffen.83 Unter dem Titel „Die Schande von Buchloe"

81 Hohenzollerische Volkszeitung vom 5.12.1933. - Zur ambivalenten Rolle von Johann Hinger in der
NS-Zeit vgl. Edwin Ernst Weber: Sigmaringendorf in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Ders. (Hg.):
Sigmaringendorf. Beiträge zur Geschichte eines hohenzollerischen Bauern- und Industrieortes. Sigmaringendorf
2002, S. 163-240, hier S. 181-183, 223.

82 Protokoll des Zeitzeugengesprächs mit Hannelore Zekorn geb. Schiöder, Sigmaringen, vom 7.11.2010
(Kreisarchiv Sigmaringen).

83 „Die Schande von Buchloe" (Artikel in „Der Stürmer" Jg. 12 [1934], Nr. 43). - Zu Rechtsanwalt Leopold
Rieser vgl. Reinhard Weber: Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte in Bayern nach 1933, München
2006, S. 122.

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