Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
46(131).2010
Seite: 24
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2010/0032
Edwin Ernst Weber

nicht zuletzt auch in Sigmaringen und Hohenzollern gehört haben. Siegfried Frank und
seine Familie gingen dagegen vollständig leer aus, ehe Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren
nach 1945, wie noch zu schildern sein wird, das dabei erlittene
Unrecht wenigstens in Teilen wieder ausgleichen konnten. Völlig daneben liegt mit seiner
Vermutung auf jeden Fall der Sigmaringer Stadtchronist Franz Keller, wenn er in
seinen nach 1945 verfassten Darstellungen annimmt, daß der geriebene Geschäftsmann
Siegfried Frank, als er davon hörte, wie anderwärts die Juden behandelt werden, noch
so viel wie möglich veräußerte, um wenigstens die Reise nach Amerika mit der Familie
bestreiten zu können.110 Ahnlich problematisch erscheint die Äußerung von Franz Keller
, wonach die Hitlerregierung mit allen Handelsgeschäften der Juden durch die Nürnberger
Gesetze schonungslos aufgeräumt habe.

Tatsächlich können Siegfried Frank und seine Familie vor der rassenideologisch motivierten
Verfolgung des NS-Staates bis Ende 1938 gerade einmal ihr nacktes Leben und
einige wenige Habseligkeiten im Handgepäck retten. Unter Gefahr für Leib und Leben
hatte zuvor die furchtlose Emma Frank mehrfach verbotenerweise Mieteinnahmen aus
den Konstanzer Häusern über die Grenze in die Schweiz geschafft und über einen Mittelsmann
an ihren bereits nach Holland emigrierten Bruder Gustav Rieser überweisen
lassen.111 Trotz der Demütigungen und Verfolgungen, die Angehörige der Familie seit
1933 erleiden mussten, fiel es Siegfried Frank wie zahlreichen anderen assimilierten
deutschen Juden nach 1933 lange Zeit schwer, die Dramatik der ihnen im eigenen Vaterland
drohenden Gefahr realistisch und illusionslos einzuschätzen und entschieden die
Auswanderung vorzubereiten. They were so German, sie waren so deutsch, beschreibt
Tochter Lisa die Verbundenheit und Treue ihrer Eltern zum deutschen Vaterland, so
dass sie sich lange nicht vorstellen konnten, dass sie angesichts der ihrem Leben drohenden
Gefahr weggehen mussten.112 Die gleichen Hemmungen zur Auswanderung
habe ihr Onkel Leopold Rieser in Augsburg gehabt - obgleich er, wie geschildert, bereits
1934 in das Visier der nationalsozialistischen Hasspresse geraten war. Rieser hielt
sich als Kriegsveteran und Altanwalt mit einer Zulassung von 1908 noch für so sicher,
dass er mehrfach die US-Einwanderungserlaubnis verstreichen ließ.113

Für Siegfried Frank wie Leopold Rieser führen die Pogromnacht des 9. November
1938 und die anschließende Verschleppung und Inhaftierung von rund 30000 jüdischen
Männern in Gefängnissen und Konzentrationslagern dann in die persönliche Katastrophe
, die im Fall des Sigmaringers in die erzwungene Auswanderung, im Fall des Augsburgers
aber in den Tod mündet. Obgleich in Sigmaringen im Unterschied zu den ho-
henzollerischen Schwesterstädten Hechingen und Haigerloch oder auch den nahe
gelegenen oberschwäbischen Judenorten Buchau und Laupheim keine jüdischen Synagogen
und Geschäfte für den staatlich inszenierten öffentlichen Vandalismus zur Verfügung
standen, wird mit Siegfried Frank auch hier der einzige in der Stadt verbliebene
Jude am 10. November 1938 im Zuge der reichsweiten Verhaftungsaktion gegen jüdische
Männer inhaftiert und auf Veranlassung der Sigmaringer Gestapo-Außendienst-

110 Nachlass Keller (wie Anm. 23).

111 Filminterview Lisa Heyman 1997 (wie Anm. 42).

112 Ebenda.

113 Weber, Rechtsanwälte (wie Anm. 83), S. 122.

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