Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
46(131).2010
Seite: 35
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Die Rettung der Erinnerung

durch eine Gruppe deutscher Juden. Die entscheidende Wende kam 1952, als das Gesetz
zur Wiedergutmachung in Kraft trat. Es ermutigte eine zunehmende Zahl von früheren
deutschen Juden zur Rückwanderung. Von 1955 bis 1959 kamen über 6000 Menschen
aus Israel (60 %), aus Lateinamerika und anderen Ländern in die Bundesrepublik
zurück, Menschen, die überwiegend älter waren und in ihren Einwanderungsländern
aus wirtschaftlichen, kulturellen oder sprachlichen Gründen nicht Fuß fassen konnten.

Durch die Rückwanderung stieg die Mitgliederzahl in den jüdischen Gemeinden
von 15000 im Jahr 1955 auf 21000 im Jahr 1959. Davon waren etwa ein Drittel frühere
deutsche Juden (1984 wurden 28100 Gemeindemitglieder gezählt. Weitere 25000 - so
die Schätzung - lebten in der Bundesrepublik ohne Gemeindemitglieder zu sein).

Hinter den Zahlen verbarg sich ein starker Fluktuationsprozess. Die Bevölkerungsabnahme
infolge gleichbleibender Uberalterung wurde regelmäßig durch einen entsprechenden
Einwanderungsüberschuss ausgeglichen. Zu der Rückwanderung der
deutschen Juden kam die Zuwanderung von jüdischen Flüchtlingen u. a. aus Ungarn
(Ungarischer Aufstand), Tschechien (Prager Frühling), Polen und seit den siebziger
Jahren vor allem Emigranten aus der Sowjetunion. Somit wurden die jüdischen Gemeinden
primär zu Einwanderungsgemeinden. Hatten sie sich in den fünfziger und
sechziger Jahren - und darüber hinaus - noch als Provisorium verstanden, so hatten sie
sich in den achtziger Jahren etabliert.

In den Jahren nach 1945 lebte die jüdische Gemeinschaft weitgehend abgekapselt gegenüber
ihrer Umwelt. Dies galt besonders für die DP-Lager, die sich unter alliierter
Hoheit autonom verwalteten und wirtschaftlich weitgehend von jüdischen Hilfsorganisationen
abhängig waren. Die Gemeinden verhandelten meist direkt mit den Alliierten
. Aber auch die deutschen Behörden suchten keine Kontakte zu den Juden. Über
lange Jahre waren diese im öffentlichen Leben nicht präsent. In seiner ersten Regierungserklärung
vom September 1949 ging Konrad Adenauer mit keinem Wort auf das
Schicksal der Juden in Deutschland ein.

In einer Resolution vom August 1950 sprach der Zentralrat von einem Schleier des
Vergessens, der immer fester und undurchdringlicher wird.b Darüber hinaus waren die
Juden in Deutschland einer Stigmatisierung und Diskriminierung durch internationale
jüdische Organisationen ausgesetzt, weil sie weiterhin im Land der Täter lebten. So be-
schloss die Jewish Agency 1950 ihre Büros in Deutschland zu schließen.

Die langwierigen Entschädigungsverfahren in den 50er Jahren vor den Restitutionskammern
an den Landgerichten waren symptomatisch für die Behandlung der Überlebenden
in der damaligen Zeit. Den jüdischen Antragstellern oblag es, den Wert ihres in
der NS-Zeit weggenommenen Eigentums genau zu beziffern. Dabei zeigten die Gerichte
wenig Verständnis, wenn dieser Nachweis - ohne Zeugen und Beweismaterial -
schwer zu erbringen war. So mussten die Kläger nach langwierigen Verhandlungen oft
demütigende gerichtliche Vergleiche hinnehmen, wollten sie nicht ganz auf eine Rückerstattung
verzichten.

Eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fand in der Bundesrepublik
in der Ära Adenauer nicht statt. Man verdammte zwar den Nationalsozialismus,

6 Wie Anm.4, S.57f.

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