Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
46(131).2010
Seite: 132
(PDF, 40 MB)
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Karl-Peter Krauss

51 Geburten.32 Auch der aus der Baar stammende, nach Tevel im Komitat Tolna ausgewanderte
Johannes Schehrer schrieb 1771 seiner Schwester und seinem Schwager einen
Brief, der folgende Sätze enthielt: [...] Es mießen die neue Leit große Grankheiten auß-
stehen, viele aber mießen das Leben lassen. Viele Kolonisten starben in den ersten
Jahren an der Ruhr, an Typhus, Malaria, Tuberkulose, Pest sowie an verschiedenen
fiebrigen Krankheiten, aber auch an Magen-Darmkrankheiten. Selbstverständlich blieb
das Sterben in vielen Kolonistendörfern den offiziellen Stellen nicht verborgen. In einer
von Maria Theresia unterschriebenen Verordnung mit einigen Anweisungen zur Im-
population vom März 1763 hieß es: Ferners sind diese neue Colonisten mit Chrirurgus
zu versehen, wozumalen bekannt ist, daß die nach Hungarn kommende Fremde stark
erkranken, und aus Mangel der Medicamenten grossen Theils dahin sterben?4

In demographischen Krisen verändert sich die Korrelation zwischen Taufen, Begräbnissen
und Hochzeiten. Die Todesfälle sind häufiger als die Taufen, die Hochzeiten
gehen zurück. Lässt sich dieses Grundprinzip auch am Beispiel donauschwäbischer
Siedlungen nachweisen? Gibt es demographisch nachweisbare Auffälligkeiten bei den
nach Ungarn Ausgewanderten? Tatsächlich zeigt sich eine solche demographische Krise
in vielen Kolonistenorten. Erst viele Jahre nach der Ansiedlung erfolgte ein Ubergang
zu einem dynamischen Bevölkerungszuwachs, der aber immer wieder bis weit in
das 19. Jahrhundert von Seuchen und Krisenjahren unterbrochen wurde. Auch wenn es
große Unterschiede zwischen einzelnen Ortschaften gab, so weist die quantitative Entwicklung
doch häufig ähnliche Charakteristika wie bei Bukin (ung. Dunabökeny, serb.
heute Mladenovo) in der Batschka (heute Serbien) auf: Die Anfangsjahre zeigen eine
hohe Mortalitätsrate und wenig Taufen.

Diese extrem erhöhte Mortalität in der Zeit nach der Ansiedlung hatte erhebliche Auswirkungen
auf die Familien und die Familienstrukturen. Nicht selten mussten Erwachsene
mehrmals den Verlust eines Ehepartners beklagen, waren aber zu einer baldigen
Wiederverheiratung aus ökonomischen und rechtlichen Gründen gezwungen. Dieses
Phänomen der Wiederverheiratung von Verwitweten war in den Anfangsjahren in vielen
Orten so häufig, dass Hochzeiten, bei denen beide Partner ledig waren, oft nur ein
Drittel aller Hochzeiten ausmachten. Brachten die überlebenden und sich wieder verheiratenden
Partner aus verschiedenen Verbindungen Kinder mit in die neue Ehe, entstanden
oft komplexe „Patchworkfamilien". Oder aber die Kinder wurden bei den Paten,
bei Verwandten oder in Pflegefamilien untergebracht. Nicht selten gab es Übervorteilungen
des meist kleinen Vermögens der Waisen. Denn oft waren keine Großeltern oder
sonstige Verwandten da, die in familiären Krisensituationen Unterstützung leisten
konnten. Das mag auch die starke Stellung der Paten in den deutschen Siedlungsgebieten
in diesem Raum erklären. Sie mussten in solchen Fällen als Ersatzeltern fungieren
und das soziale Netz ersetzen. Gerade Kinder aus solchen Patchworkverbindungen ge-

32 Helmut Ritter: Die Ersten fanden den Tod... Aus der Geschichte der Seuchen im Banat. In: Der Donauschwabe
. Bundesorgan der Heimatvertriebenen aus Jugoslawien, Rumänien und Ungarn, Jahrgang 37,
12. Juli 1987, S.3.

33 Zit. nach: Otto Hienerwadel: Der Anteil der Baar am Schwabenzug nach Ungarn. In: Deutsch-Ungarische
Heimatsblätter 3 (1931), S.292.

34 NHKA Wien, Kamerale Ungarn, r. Nr. 704, Fasz. 32, fol. 87.

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