Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z6
Zeitschrift für Parapsychologie
9=61.1934
Seite: 226
(PDF, 78 MB)
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226

Zeitschrift für Parapsychologie. Heft 5. (Mai 1934.)

In seinem Tagebuche schildert er eine Vision, daß er Musik hört und mit
Totengerippen tanzt. Dieselbe Stimmung befällt ihn, wenn er nachts an einem
Kirchhof vorbeigeht.

Daß Kerner wirklich okkulte Begabung besaß, beweist seine Fähigkeit, mit
dem siderischen Pendel zu arbeiten. Er besaß außerdem die Gabe, sein Herz willkürlich
schlagen zu lassen und Irrsinnige bis zur Virtuosität nachzuahmen. Auch
das Sympathiegefühl tritt bei ihm schon frühzeitig hervor. Eine seiner ersten Erzählungen
ist „Die Heimatlosen" betitelt, wo von einer Familie die Rede ist, deren
Mitglieder sich, durch das Schicksal auseinandergerissen, durch die Allverbundenheit
wieder zusammenfinden. Während seiner Tübinger Studentenzeit wohnte er
mit allerhand Getier zusammen wie Molchen und Eidechsen, allerdings mit dem
mehr äußerlichen Zweck, ihr Gehör festzustellen. In seiner Dissertation, die er
daraufhin anfertigte, behauptete er, daß den Gänsen in dieser Hinsicht der Preis
zuzuerkennen sei — eine merkwürdige Parallele zu der bekannten Erzählung aus
Ailt-Rom, wonach bei der Belagerung durch die Gallier die Gänse der Juno nachts
den Überfall der Feinde hörten und durch ihr Schnattern die Römer vor dem Untergang
bewahrten.

Später beschränkte sich Kerners Interesse für den Okkultismus auf eine genaue
Beobachtung der übersinnlichen Ereignisse, wie er sie besonders bei Frau Hauffe
studieren konnte. Er sah aber von ihren Phänomenen nur einmal etwas: eine graue
Nebelsäule, während im übrigen das, was sie schaute, den meisten unsichtbar war.
Nur Schlürfen, Klopfen usw. wurden öfters auch von anderen gehört. Die Hausbewohner
gewöhnten sich schließlich so an diese Gäste, daß sie von ihnen gar
keine Notiz mehr nahmen. Nur Theobald empfand manchmal in der Nähe der
Frau H. etwas wie ein gelindes Grauen, wenn ihn der Vater magnetisierte und er
dieses Fluid auf die Seherin übertragen mußte. Er fühlte dann, wie sie wie eine
Spinne an ihm sog, um diese Strömungen ihrem Nervensystem zuzuführen.

Übrigens hat sich auch Theobald bei der Ermittlung von Spukerscheinungen
usw. betätigt. Er brachte eine Nacht im Oberamtsgericht von Weinsberg in einer
Gefängniszelle zu, wo sich die sonderbarsten Geräusche hören ließen. Er erlebte
wie die anderen einen ohrenbetäubenden Lärm, ohne ihm trotz aller Anstrengung
auf die Spur kommen zu können.

Als Kuriosität möchte ich noch erwähnen, daß, was wohl die wenigsten wissen
, die Heilung der Gräfin Maldeghem durch die Seherin keine dauernde war.
Ihr Leiden kehrte nach vielen Jahren wieder, wie aus dem Briefwechsel Kerners
mit seinen Freunden, herausgegeben von F. Pocci, zu ersehen ist (S. 354), und sie
mußte zum zweiten Male im Sinne Messmers behandelt werden.

Von okkult anmutenden Berichten aus der Umgebung Kerners sei der des
Werkmeisters Hildt erwähnt, der bekanntlich das Kernerhaus erbaut hat. Er geriet
bei einer Reise, die er 1806 nach Sachsen unternahm, zwischen die Heere der
Franzosen und Preußen hinein und wäre beinahe von letzteren, die ihn als französischen
Spion behandelten, erschossen worden. Er hatte sich zwei Pässe verschifft
, von denen der erste Württemberg, der zweite Hamburg als Geburtsort
angab. Dieser letztere wurde ihm von einem Wirt in Neustadt a. d. Aisch abgenommen
, ohne daß er daran dachte, sich ihn am andern Morgen wiedergeben zu
lassen. Hätte man zwei Pässe bei ihm gefunden, so wäre er ohne Zweifel erschossen
worden. So kam er frei und glaubte, seine Rettung einem gütigen Schicksal
zu verdanken, da er es noch niemals erlebt hatte, daß ein Wirt ihm seinen Paß
abforderte und daß ein Reisender es vergessen hätte, ihn in diesem Fall wieder
zurückzuverlangen.

Kerner stand diesen Erscheinungen bis zuletzt kritisch und beobachtend gegenüber
und sah mit gewissem Ingrimm, wie manche Besucher des Kernerhauses dort
durchaus etwas Geisterhaftes ei leben wollten. Ergötzlich schildert Theobald in dem
erwähnten Buche, wie man in dieser Hinsicht Emma Niendorf, die Gattin des
Obersten von Suckow, hineinlegte, als sie in Weinsfoerg durchaus etwas Derartiges
erleben wollte. Auch im Alter warnte Kerner davor, sich allzusehr mit dem Geisterreiche
einzulassen. „Tanzen ist besser als Geistersehen" sagte er in dieser Hinsicht
. Besonders peinlich war ihm die Weinsberger „Wasserseherin", die zahl-
' reiche hochgestellte Persönlichkeiten befragten, um etwas von der Zukunft erfahren
zu können.

Das Alter des Dichters war bekanntlich durch beginnende Blindheit, aber


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